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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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sehend, verängstigt und mit keinem anderen Schutz als meiner angeblichen Macht. Ich dachte an den Schwarzen Ketzer. Er hatte die Schattenflur erschaffen, war ein Dunkler, genau wie derjenige, der hier im Feuerschein neben mir saß und mich betrachtete.
    Â»Was habt Ihr da neulich getan?«, fragte ich, um die Nerven nicht ganz zu verlieren. »Mit dem Fjerdan?«
    Er starrte wieder ins Feuer. »Man nennt es den Schnitt. Dazu bedarf es großer Macht und Konzentration, deswegen beherrschen ihn nur wenige Grischa.«
    Ich rieb meine Arme, um dem Frösteln abzuhelfen, das mich erfasst hatte.
    Er sah zu mir, dann wieder ins Feuer. »Wäre es besser gewesen, wenn ich ihn mit dem Schwert getötet hätte?«
    Eine gute Frage. Während der letzten Tage hatte ich viele Schrecken miterlebt, vor allem auf der Schattenflur. Aber ich konnte das Bild des halbierten, bärtigen Mannes nicht abschütteln. Die Szene suchte mich in meinen Träumen heim und ließ mich aus dem Schlaf aufschrecken.
    Â»Schwer zu sagen«, erwiderte ich leise.
    Irgendetwas überflog sein Gesicht, vielleicht Verärgerung, vielleicht Schmerz. Er stand wortlos auf und verschwand in der Finsternis.
    Als ich ihm nachsah, fühlte ich mich plötzlich schuldig. Sei nicht dumm, schalt ich mich selbst. Er ist der Dunkle. Der zweitmächtigste Mann in Rawka. Er ist hundertzwanzig Jahre alt! Du hast seine Gefühle nicht verletzt. Trotzdem musste ich an den Ausdruck denken, der auf seinem Gesicht aufgeflackert war, an die Scham, mit der er vom Schwarzen Ketzer erzählt hatte, und ich hatte die Ahnung, gerade bei einer Probe versagt zu haben.
    Zwei Tage später ritten wir früh am Morgen durch das wuchtige Tor und die berühmten Doppelmauern von Os Alta.
    Maljen und ich waren in der nahe gelegenen Militärfestung von Poliznaja ausgebildet worden, hatten die Stadt aber nie betreten. Os Alta war den Reichen vorbehalten, den Oberen von Militär und Regierung samt ihren Familien und Mätressen sowie all jenen Betrieben, die für ihr Wohlergehen zuständig waren.
    Doch ich war enttäuscht, als wir an verrammelten Läden vorbeiritten, einen großen Marktplatz überquerten, auf dem nur wenige erste Händler ihre Stände errichteten, und schließlich durch Straßen mit schmalen, geduckten, dicht an dicht stehenden Häusern trabten. Os Alta, die Hauptstadt Rawkas, war auch als Traumstadt bekannt. Hier wohnten die Grischa, hier stand der Große Zarenpalast. Doch aus der Nähe betrachtet kam mir die Stadt vor wie eine größere und dreckigere Ausgabe des Marktfleckens in Keramzin.
    All das veränderte sich beim Erreichen der Brücke. Sie überspannte einen breiten Kanal, auf dem kleine Boote dümpelten. Auf dem jenseitigen Ufer erhob sich das andere Os Alta weiß und schimmernd aus dem Dunst. Während wir die Brücke überquerten, wurde mir bewusst, dass sie hochgeklappt werden konnte, um den Kanal in einen riesigen Wehrgraben zu verwandeln, der die Traumstadt von dem gemeinen Chaos des hinter uns liegenden Marktfleckens trennte.
    Jenseits der Brücke schienen wir eine andere Welt zu betreten. Überall gab es Plätze und Springbrunnen, grüne Parks und breite Paradestraßen, gesäumt von schnurgeraden Baumspalieren. In den Untergeschossen der Prachthäuser, wo das Tagwerk mit dem Entfachen der Herdfeuer begann, sah ich hin und wieder Licht.
    Die Straßen führten bergauf. Je höher wir kamen, desto größer und prunkvoller wurden die Häuser, und schließlich erreichten wir noch eine Mauer und ein weiteres Tor, dieses vergoldet und geschmückt mit dem Doppeladler des Zaren. Oben auf der Mauer wachten schwer bewaffnete Männer – was mich daran erinnerte, dass Os Alta trotz aller Schönheit die Hauptstadt eines Landes war, das sich seit langem im Krieg befand.
    Das Tor schwang auf.
    Wir ritten auf einem breiten, mit glitzerndem Kies bestreuten Weg, gesäumt von Reihen schmaler Bäume. Links und rechts davon erstreckten sich weitläufige, planvoll angelegte Gärten im morgendlichen Dunst. Dahinter ragten die goldenen Springbrunnen und Marmorterrassen des Großen Palastes auf, in dem der Zar von Rawka während des Winters residierte.
    Als wir endlich am Fuß des Palastes vor einem gewaltigen Springbrunnen anhielten, der die Form eines Doppeladlers hatte, zügelte der Dunkle sein Pferd neben mir.
    Â»Wie gefällt dir der

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