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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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Grischa«, entfuhr es mir.
    Â»Die Tatsachen besagen etwas anderes«, erwiderte er gelassen. »Warum bist du dir so sicher?«
    Â»Seht mich doch an!«
    Â»Ich sehe dich an.«
    Â»Findet Ihr, dass ich wie eine Grischa aussehe?« Grischa waren Schönheiten. Sie hatten weder Sommersprossen noch stumpfes braunes Haar oder magere Arme.
    Er stand kopfschüttelnd auf. »Du begreifst gar nichts«, sagte er. Dann ging er den Hügel hinauf.
    Â»Warum erklärt Ihr es mir nicht?«
    Â»Nicht jetzt.«
    Ich war so wütend, dass ich ihn am liebsten gegen den Kopf geschlagen hätte. Aber da er in meiner Gegenwart den Mann halbiert hatte, riss ich mich zusammen und starrte nur seinen Rücken an, während ich ihm hügelaufwärts folgte.
    Die Männer räumten in einer zerstörten Scheune einen Platz auf dem Lehmboden frei und entfachten ein Feuer. Einer hatte ein Moorhuhn erlegt und briet es über den Flammen. Auf alle verteilt, war das wenig Fleisch, aber der Dunkle wollte seine Männer nicht auf Jagd in den Wald schicken.
    Ich setzte mich ans Feuer und aß schweigend meine paar Bissen. Nachdem ich fertig war, zögerte ich kurz, wischte meine Finger dann aber an der dreckigen Kefta ab. Ich hatte noch nie ein schöneres Kleidungsstück getragen und beim Anblick des schmutzigen, zerrissenen Stoffes war mir aus irgendeinem Grund besonders elend zu Mute.
    Im Feuerschein betrachtete ich die Opritschki, die mit den Grischa zusammensaßen. Manche hatten sich schon schlafen gelegt. Einige waren für die erste Wache eingeteilt worden. Die übrigen führten Gespräche, während das Feuer langsam niederbrannte, und ließen eine Flasche kreisen. Der Dunkle saß bei ihnen. Mir war aufgefallen, dass er nicht mehr von dem Moorhuhn gegessen hatte als alle anderen. Und nun hockte er mit seinen Soldaten auf dem kalten Boden, obwohl er der zweitmächtigste Mann nach dem Zaren war.
    Er schien meinen Blick zu bemerken, denn er wandte mir das Gesicht zu. Seine granitfarbenen Augen glitzerten im Feuerschein. Ich errötete, und als er aufstand, um sich neben mich zu setzen und mir die Flasche anzubieten, erschrak ich. Ich zögerte kurz, dann trank ich einen Schluck, und als der Kwass durch meine Kehle rann, verzog ich das Gesicht. Ich hatte diesen Schnaps nie gemocht, aber in Keramzin hatten die Lehrer ihn getrunken wie Wasser. Maljen und ich hatten einmal eine Flasche gestohlen und die Prügel, die wir für den Diebstahl bezogen hatten, waren nichts im Vergleich mit der Übelkeit gewesen, die uns geplagt hatte.
    Der Kwass brannte in meiner Kehle. Trotzdem genoss ich die Wärme, die er in mir auslöste. Ich trank noch einen Schluck und reichte dem Dunklen die Flasche zurück. »Danke«, sagte ich hustend.
    Er trank auch einen Schluck, starrte in das Feuer und sagte schließlich: »Nun gut. Stell mir Fragen.«
    Ich blinzelte ihn verblüfft an. Wo sollte ich beginnen? Mein müder Kopf schwirrte von Fragen, aber seit dem Aufbruch aus Kribirsk schwankte ich die ganze Zeit zwischen Panik, Erschöpfung und Unglauben. Ich wusste nicht, ob ich noch die Kraft hatte, einen klaren Gedanken zu fassen, und als ich den Mund auftat, war ich von meiner Frage selbst überrascht.
    Â»Wie alt seid Ihr?«
    Er sah mich amüsiert an. »Schwer zu sagen«, antwortete er.
    Â»Wie ist das möglich?«
    Der Dunkle zuckte mit den Schultern. »Kennst du dein genaues Alter?«
    Ich sah ihn mürrisch an, denn ich kannte mein Geburtsjahr nicht. In Keramzin hatten die Waisen ihren Geburtstag zu Ehren des Herzogs immer an dessen Geburtstag gefeiert. »Gut. Aber wie alt seid Ihr ungefähr?«
    Â»Warum möchtest du das wissen?«
    Â»Ihr wirkt nicht viel älter als ich, obwohl ich von Kindheit an Geschichten über Euch gehört habe«, sagte ich aufrichtig.
    Â»Welche Geschichten?«
    Â»Die üblichen«, antwortete ich leicht verärgert. »Wenn Ihr mir nicht antworten wollt, sagt es einfach.«
    Â»Ich will dir nicht antworten.«
    Â»Oh.«
    Er seufzte. Dann sagte er: »Einhundertzwanzig Jahre. Vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger.«
    Â»Wie bitte?«, stieß ich hervor. Die Soldaten, die mir gegenübersaßen, blickten zu mir hin. »Das ist unmöglich«, sagte ich ruhiger.
    Er sah in die Flammen. »Ein Feuer verbraucht beim Brennen das Holz und verzehrt es, bis nur noch Asche übrig ist. Die

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