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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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weißblonden Wimpern waren fast unsichtbar. »Er wird dich nicht bekommen«, zischte er. »Er wird die Hexe nicht bekommen. Diese Macht darf nicht auch noch in seine Hände fallen.« Er holte mit dem Messer aus und brüllte: »Skirden Fjerda!«
    Das Messer schoss in glitzerndem Bogen auf mich zu. Ich warf den Kopf zur Seite. Bevor ich in meiner Todesangst die Augen schloss, sah ich noch, wie der Dunkle die Arme durch die Luft schnellen ließ. Ein Donnerschlag und dann … nichts mehr.
    Als ich langsam die Augen öffnete, bot sich mir ein Bild des Schreckens. Ich wollte aufschreien, bekam aber keinen Ton heraus. Der Mann war regelrecht halbiert worden. Sein Kopf und die rechte Schulter samt dem Arm, dessen bleiche Hand noch das Messer hielt, lagen auf dem Waldboden, die zweite Körperhälfte schwankte über mir. Dunkler Qualm waberte über der klaffenden Wunde seines durchtrennten Oberkörpers. Dann kippte auch der restliche Körper um.
    Ich fand meine Stimme wieder und schrie auf, floh auf allen vieren vor dem verstümmelten Leichnam. Ich schlotterte so sehr, dass ich nicht auf die Beine kam, und konnte meinen Blick nicht von diesem Bild des Grauens lösen.
    Der Dunkle eilte auf den Hügel und kniete sich vor mich, um den Blick auf den Toten zu verstellen. »Sieh mich an!«, sagte er.
    Ich versuchte mich auf sein Gesicht zu konzentrieren, hatte aber nur den zerstückelten Körper des Meuchelmörders vor Augen, dessen Blut auf dem feuchten Laub Pfützen bildete. »Was … was habt Ihr mit ihm gemacht?«, fragte ich mit bebender Stimme.
    Â»Das, was ich tun musste. Kannst du aufstehen?«
    Ich nickte schwach. Er ergriff meine Hände und half mir auf die Beine. Als mein Blick wieder zur Leiche zuckte, drehte er mein Gesicht am Kinn zu sich hin. »Sieh mich an«, befahl er noch einmal.
    Ich nickte und versuchte, nur ihn anzuschauen, während er mich den Hügel hinunterführte und seinen Männern Befehle zurief.
    Â»Räumt die Straße. Ich brauche zwanzig Reiter.«
    Â»Und das Mädchen?«, fragte Iwan.
    Â»Reitet mit mir«, sagte der Dunkle.
    Er wies mich an, neben seinem Pferd zu warten, während er sich mit Iwan und seinen Hauptleuten beriet. Ich war erleichtert, als ich Fedjor erblickte, der bis auf eine Armwunde unverletzt schien. Ich streichelte die schweißnasse Flanke des Pferdes, atmete den Lederduft des Sattels ein, versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen und zu verdrängen, was hinter mir auf dem Hügel lag.
    Einige Minuten später schwangen sich Soldaten und Grischa auf ihre Pferde. Man hatte den Baum von der Straße geräumt, und die stark beschädigte Kutsche fuhr los, eskortiert von einem Reitertrupp.
    Â»Ein Ablenkungsmanöver«, sagte der Dunkle, als er neben mich trat. »Wir nehmen die Pfade nach Süden. Das hätten wir gleich tun sollen.«
    Â»Ihr seid also nicht unfehlbar«, sagte ich gedankenlos.
    Der Dunkle, der sich gerade Handschuhe anziehen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne.
    Ich kniff nervös die Lippen zusammen. »Ich wollte nicht …«
    Â»Natürlich bin ich nicht unfehlbar«, sagte er mit dem Anflug eines Lächelns. »Aber ich irre mich nur selten.«
    Er setzte die Kapuze auf und erbot sich, mir in den Sattel zu helfen. Ich zögerte kurz. Er stand vor mir, ein in Schwarz gewandeter Reiter, dessen Gesichtszüge im Schatten lagen. Vor meinem inneren Auge tauchte wieder das Bild des halbierten Mannes auf und mir drehte sich der Magen um.
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er noch einmal: »Ich habe nur getan, was ich tun musste, Alina.«
    Das wusste ich. Er hatte mir das Leben gerettet. Und welche Wahl hatte ich schon? Ich ließ zu, dass er mir in den Sattel half. Dann schwang er sich hinter mich aufs Pferd und wir ritten los.
    Während wir das Tal verließen, begriff ich allmählich, was sich abgespielt hatte.
    Â»Du zitterst«, sagte er.
    Â»Ich bin nicht daran gewöhnt, dass man mir nach dem Leben trachtet.«
    Â»Tatsächlich? Ich nehme das gar nicht mehr wahr.«
    Ich drehte mich zu ihm um. Er lächelte immer noch, aber ich wusste nicht recht, ob er seine Worte ernst gemeint hatte. Ich wandte mich wieder ab und sagte: »Außerdem habe ich gerade einen halbierten Mann gesehen.« Ich wollte gelassen klingen, konnte das Beben in meiner Stimme aber nicht verbergen.
    Der Dunkle nahm den

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