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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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aus gehämmertem Kupfer, in der heißes Wasser dampfte, und das Mosaik aus Ohrschnecken und Muscheln auf der Wand dahinter. Zugleich zitterte ich von Kopf bis Fuß, weil ich mich vor der Begegnung mit dem Zaren fürchtete, und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Â»Rein! Rein!«, sagte eine Dienerin und schubste mich sanft.
    Ich stieg in die Wanne. Das Wasser war kochend heiß, aber ich glitt schnell hinein. Durch das Leben beim Militär hatte ich schon vor Jahren jede falsche Scham verloren. Hier war es jedoch anders, denn ich war die einzige Nackte und alle starrten mich neugierig an.
    Ich quiekte, als eine Dienerin meinen Kopf ergriff und mit Feuereifer meine Haare schrubbte. Eine zweite beugte sich über die Wanne und säuberte meine Nägel.
    Nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, tat das heiße Wasser meinem geschundenen Körper gut. Ich hatte seit über einem Jahr kein warmes Bad mehr genommen und ich hätte mir nie träumen lassen, dass es eine solche Wanne gab. Das Dasein als Grischa schien seine Vorzüge zu haben. Ich hätte am liebsten eine ganze Stunde geplanscht, aber nachdem ich gründlich abgeschrubbt und eingeweicht worden war, packte mich eine Dienerin beim Arm und befahl: »Raus! Raus!«
    Ich stieg zögernd aus der Wanne und hielt still, während mich die Frauen mit weichen Handtüchern abtupften. Eine junge Dienerin kam mit einer schweren Samtrobe auf mich zu und führte mich ins Schlafzimmer. Dann wich sie gemeinsam mit den anderen rückwärts aus dem Zimmer zurück und ließ mich mit Genja allein.
    Ich betrachtete die rothaarige Frau argwöhnisch. Sie hatte die Vorhänge aufgezogen und einen reich verzierten Holztisch sowie einen Stuhl vor die Fenster gestellt.
    Â»Hinsetzen«, befahl sie. Ihr Tonfall passte mir nicht, aber ich gehorchte.
    Sie hatte eine Schatulle mitgebracht und den Inhalt auf dem Tisch ausgebreitet: bauchige Gläser mit Beeren, Blättern und bunten Pulvern. Ich hatte keine Zeit für einen genaueren Blick, denn Genja fasste nach meinem Kinn, studierte mein Gesicht und drehte meine aufgeschrammte Wange ins Licht. Sie holte tief Luft und strich über meine Haut. Ich spürte das gleiche Prickeln wie neulich, als die Heilerin jene Wunden behandelt hatte, die mir auf der Schattenflur geschlagen worden waren.
    Ich ballte die Fäuste, um dem minutenlangen Juckreiz zu widerstehen. Schließlich verflog das Jucken und Genja nahm die Hände herunter. Sie reichte mir einen goldenen Handspiegel und ich sah, dass die Schramme verschwunden war. Ich bestastete vorsichtig meine Haut, aber sie fühlte sich nicht wund an.
    Â»Danke«, sagte ich, legte den Spiegel weg und wollte aufstehen. Aber Genja drückte mich wieder auf den Stuhl.
    Â»Wohin willst du? Bleib sitzen. Wir sind noch nicht fertig.«
    Â»Ja, aber …«
    Â»Wenn es dem Dunklen nur darum gegangen wäre, dich zu heilen, dann hätte er eine Heilerin geschickt.«
    Â»Du bist keine Heilerin?«
    Â»Trage ich etwa Rot?«, erwiderte Genja leicht verbittert. Sie zeigte auf sich. »Ich bin Bildnerin.«
    Ich war verblüfft. Und mir wurde bewusst, dass ich noch nie eine Grischa mit weißer Kefta gesehen hatte. »Wirst du jetzt etwa ein Bild von mir malen?«
    Genja seufzte ungeduldig. »Es geht nicht um Gemälde. Sondern um das hier«, sagte sie und schwenkte die langen, schlanken Finger vor ihrem Gesicht. »Glaubst du, ich bin mit einem solchen Gesicht zur Welt gekommen?«
    Während ich die glatte, marmorne Makellosigkeit ihrer Züge betrachtete, begriff ich langsam. Gleichzeitig keimte Ärger in mir auf. »Willst du mein Gesicht verändern?«
    Â»Nein, nicht verändern. Nur etwas … auffrischen.«
    Ich zog eine Grimasse. Ich wusste, wie ich aussah, und kannte meine Mängel sehr gut. Da bedurfte es keiner bildschönen Grischa, um sie mir vor Augen zu führen. Noch schlimmer fand ich, dass der Dunkle Genja zu mir geschickt hatte.
    Â»Vergiss es«, sagte ich und sprang auf. »Wenn der Dunkle mich nicht hübsch genug findet, ist das sein Problem.«
    Â»Bist du zufrieden mit dir?«, fragte Genja neugierig.
    Â»Nicht besonders, nein«, fauchte ich. »Aber mein Leben ist schon jetzt verwirrend genug. Da muss mich nicht auch noch eine Fremde im Spiegel anschauen.«
    Â»Du irrst dich«, erwiderte Genja, »denn ich kann nur kleine Veränderungen vornehmen.

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