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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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sich neben mir nieder und es tat gut, seinen Rücken dicht an meinem zu spüren. Während ich immer tiefer im Schlaf versank, schmeckte ich noch das süße Brötchen und spürte den Nachhall des fröhlichen Lachens. Man hatte uns beraubt und beinahe getötet. Wir wurden vom mächtigsten Mann in ganz Rawka verfolgt. Aber wir waren wieder Freunde, und ich schlief so schnell ein wie seit langem nicht mehr.
    Mitten in der Nacht wurde ich von Maljens Schnarchen geweckt. Ich stieß ihm einen Ellbogen in den Rücken. Er rollte sich auf die Seite, murmelte etwas im Schlaf und schob einen Arm über mich. Kurz darauf schnarchte er wieder, aber ich weckte ihn nicht noch einmal.

Wir sahen zwar immer noch frische Gräser und manchmal sogar Wildblumen, aber die Anzeichen des Frühlings wurden immer spärlicher, je weiter wir nach Norden kamen. Unser Ziel waren die unwirtlichen Weiten von Tsibeja, wo Maljen den Hirsch zu finden hoffte. Die dichten Tannenwälder wichen lichten Birkengehölzen und diese schließlich ausgedehntem Grasland.
    Obwohl Maljen unseren Abstecher in das Dorf nach wie vor bereute, musste er bald zugeben, dass er notwendig gewesen war. Auf dem Weg nach Norden wurden die Nächte immer kälter, und weil der Außenposten in Tschernast in der Nähe war, durften wir kein Feuer entfachen. Und da wir keine Zeit mit Jagen oder Fallenstellen vergeuden wollten, mussten wir auf den Proviant zurückgreifen, auch wenn der zu unserer Beunruhigung immer weiter schwand.
    Wir schienen uns wieder näherzukommen, denn Maljen schwieg nicht mehr so eisern wie noch während der Überquerung des Petrazoj. Er war redseliger und lauschte neugierig meinen Geschichten über das Leben im Kleinen Palast und die seltsamen Rituale am Hof des Zaren, und er interessierte sich sogar für die Theorien der Grischa.
    Er war keineswegs entsetzt, als er hörte, dass die meisten Grischa den Zaren verachteten. Die Fährtenleser hatten ihrem Unmut über die Unfähigkeit des Zaren offenbar auch immer unverhohlener Luft gemacht.
    Â»Die Fjerdan haben einen Hinterlader, der achtundzwanzig Schüsse pro Minute abfeuern kann. Unsere Soldaten brauchen auch solche Waffen. Wenn der Zar endlich einmal ein Interesse an der Ersten Armee zeigen würde, wären wir nicht mehr so abhängig von den Grischa. Aber die Hoffnung ist vergeblich«, erzählte er. Dann murmelte er: »Wir wissen doch alle, wer das Land in Wahrheit regiert.«
    Ich schwieg dazu. Ich wollte nach Möglichkeit nicht über den Dunklen reden.
    Wenn ich Maljen nach der Jagd auf den Hirsch fragte, lenkte er ab und kam stattdessen auf mich zu sprechen. Ich bedrängte ihn nicht. Ich wusste, dass Maljen mit seiner Einheit die Grenze nach Fjerda überschritten hatte. Ich vermutete, dass sie sich den Rückweg hatten freikämpfen müssen und dass die Narbe an seinem Kinn aus diesen Gefechten stammte, aber er mochte offenbar nicht ausführlich davon erzählen.
    Zwischen struppigen Weidenbäumen, wo der Frost unter unseren Stiefeln knirschte, zeigte Maljen auf das Nest eines Sperbers und ich ertappte mich bei dem Wunsch, dass unser Marsch niemals enden möge. Ich sehnte mich zwar nach einer warmen Mahlzeit und einem weichen Bett, fürchtete mich aber auch vor der Zukunft. Was, wenn wir den Hirsch aufspürten und ich das Geweih an mich nahm? Wie würde mich ein solcher Kräftemehrer verändern? Wäre er mächtig genug, um uns den Dunklen vom Leib zu halten? Ich wäre am liebsten gemeinsam mit Maljen weitergewandert, hätte gern jede Nacht an ihn gekuschelt unter den Sternen geschlafen. Die menschenleeren Ebenen und stillen Wälder von Tsibeja hatten Morozows Herde beschützt, und vielleicht würden sie auch uns beschützen.
    Aber das war Unsinn. Tsibeja war eine lebensfeindliche, öde und wilde Region mit eiskalten Wintern und sengend heißen Sommern, und im Gegensatz zu den uralten Geschöpfen von Morozows Herde wandelten wir nicht während der Dämmerung auf Erden. Wir waren nur Alina und Maljen und wir konnten nicht für immer vor unseren Verfolgern fliehen. Ein düsterer Gedanke, der mir seit Tagen nicht aus dem Kopf ging, verfestigte sich nun endgültig. Ich seufzte, denn ich war einem Gespräch über diese Angelegenheit schon zu lange ausgewichen. Das war unverantwortlich und angesichts der Risiken, die wir beide auf uns genommen hatten, durfte ich es nicht

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