Grischa: Goldene Flammen

länger aufschieben.
    Eines Abends lag Maljen schon da und atmete regelmäßig und tief, als ich mich endlich dazu aufraffte, die Sache anzusprechen.
    Â»Maljen«, flüsterte ich. Er war schlagartig wach, richtete sich verteidigungsbereit auf und wollte nach dem Messer greifen. »Nein«, sagte ich und legte eine Hand auf seinen Arm. »Kein Grund zur Beunruhigung. Ich möchte nur mit dir reden.«
    Â»Jetzt?«, murrte er, sank wieder auf den Boden und schob einen Arm über mich.
    Ich seufzte. Eigentlich wollte ich nur im Dunkeln liegen, dem im Wind flüsternden Gras lauschen und mich im angenehmen, wenn auch täuschenden Gefühl der Sicherheit wiegen. Aber das durfte ich nicht. »Du musst etwas für mich tun.«
    Er schnaubte. »Außer zu desertieren, Gebirge zu überqueren und mir jede Nacht auf dem kalten Boden den Arsch abzufrieren, meinst du?«
    Â»Ja.«
    Â»Pah«, brummte er widerwillig und begann wieder tief und gleichmäßig zu atmen.
    Â»Maljen«, sagte ich laut und deutlich, »wenn wir es nicht schaffen … wenn sie uns einholen, bevor wir den Hirsch finden … dann lass nicht zu, dass ich ihnen in die Hände falle.«
    Er gab keinen Mucks von sich. Ich meinte seinen Herzschlag zu hören. Er war so lange still, dass ich schon glaubte, er wäre wieder eingeschlafen.
    Dann sagte er: »Das darfst du nicht von mir verlangen.«
    Â»Aber ich muss.«
    Er richtete sich auf, stieß mich weg, rieb sich über das Gesicht. Ich setzte mich auch hin, zog die Felle enger um meine Schultern und betrachtete ihn im Mondschein.
    Â»Nein.«
    Â»Du kannst nicht einfach ablehnen, Maljen.«
    Â»Du hast gefragt und ich habe geantwortet. Nein.«
    Er stand auf und entfernte sich ein paar Schritte.
    Â»Du weißt, was passieren wird, wenn er mir den Reif um den Hals legt. Unzählige Menschen werden durch mich zu Tode kommen. Das darf nicht sein. Ich will dafür nicht verantwortlich sein.«
    Â»Nein.«
    Â»Als wir uns für den Weg nach Norden entschieden haben, hast du da etwa nicht geahnt, dass es so kommen könnte?«
    Er machte kehrt und kam zurück, ging vor mir in die Hocke, um mir in die Augen schauen zu können.
    Â»Ich werde dich nicht töten, Alina.«
    Â»Vielleicht musst du es aber tun.«
    Â»Nein«, wiederholte er kopfschüttelnd und sah zur Seite. »Nein, nein, nein.«
    Ich nahm sein Gesicht in meine kalten Hände und drehte es so hin, dass er mir in die Augen schaute. »Doch.«
    Â»Das bringe ich nicht fertig, Alina. Auf keinen Fall.«
    Â»Damals im Kleinen Palast hast du gesagt, ich würde dem Dunklen gehören.«
    Er wand sich. »Ich war wütend. Ich habe nicht gemeint …«
    Â»Wenn er mir diesen Reif umlegt, gehöre ich wirklich ihm. Und zwar mit Haut und Haaren. Er wird mich in ein Scheusal verwandeln. Bitte, Maljen. Ich muss wissen, dass du das nicht zulässt.«
    Â»Wie kannst du so etwas von mir verlangen?«
    Â»Wen sollte ich sonst darum bitten?«
    Er sah mich an. In seiner Miene lagen tiefe Verzweiflung, Wut und etwas, das ich nicht zu deuten wusste. Schließlich nickte er kurz.
    Â»Du musst es mir versprechen, Maljen.« Sein Mund wurde zu einem grimmigen Strich und auf seinem Kinn zuckte ein Muskel. Ich hasste es, ihm dies anzutun, aber ich brauchte Gewissheit. »Versprich es mir.«
    Â»Versprochen«, sagte er heiser.
    Ich seufzte erleichtert. Dann lehnte ich meine Stirn gegen seine und schloss die Augen. »Danke.«
    Wir blieben eine ganze Weile so sitzen. Schließlich wich er von mir zurück, und als ich die Augen öffnete, stellte ich fest, dass er mich betrachtete. Sein Gesicht war dicht vor meinem, so dicht, dass ich seinen warmen Atem spürte. Ich ließ seine stoppelbärtigen Wangen los, denn mir wurde plötzlich klar, wie nahe wir einander waren. Er sah mich kurz an, dann stand er auf und verschwand in der Dunkelheit.
    Ich blieb noch lange wach. Mir war elend zu Mute und ich starrte frierend in die Nacht. Ich wusste, dass er irgendwo dort draußen lautlos durch das Frühlingsgras lief, auf seinen Schultern die Last der Verantwortung, die ich ihm aufgeladen hatte. Er tat mir leid, aber ich war froh, dass ich ihn gebeten hatte. Ich schlief noch vor seiner Rückkehr ein, allein unter den Sternen.
    Im Laufe der nächsten Tage durchkämmten wir das Gebiet um Tschernast und legten auf der Suche nach