Grischa: Goldene Flammen
ruhig.
»Vielleicht. Und vielleicht bringen wir dich nach Tschernast, damit der dortige Hauptmann einen Blick auf den Rucksack und einen auf dich werfen kann.«
Maljen zuckte mit den Schultern. »Gern. Ich freue mich schon darauf, ihm zu erzählen, dass ihr uns ausrauben wolltet.«
Diese Vorstellung schien Lew nicht zu gefallen. »Komm, wir nehmen das Geld und hauen ab.«
»Nee«, sagte das Langgesicht, ohne den Blick von Maljen zu lösen. »Er ist entweder von der Fahne gegangen oder er hat irgendwas anderes ausgefressen. Der Hauptmann wird auf jeden Fall gutes Geld für das zahlen, was wir ihm zu berichten haben.«
»Und die Kleine?« Lew schüttelte mich noch einmal.
»Wenn sie mit diesem Kerl unterwegs ist, hat sie sicher etwas auf dem Kerbholz. Vielleicht ist sie ja auch abgehauen. Und wenn nicht, werden wir unseren Spaà mit ihr haben. Nicht wahr, Schätzchen?«
»Fasst sie nicht an«, fauchte Maljen und wollte einen Schritt nach vorn tun.
Das Langgesicht stieà ihm den Messerknauf gegen den Kopf. Maljen knickte ein und taumelte, Blut tropfte von seiner Schläfe.
»Nein!«, schrie ich. Lew drückte mir wieder eine Hand auf den Mund, lieà dabei aber meinen Arm los. Mehr brauchte ich nicht. Mit einer kurzen Bewegung des Handgelenks lieà ich den Spiegel zwischen meine Finger gleiten.
Das Langgesicht ragte über Maljen auf und drohte ihm mit dem Messer. »Vielleicht zahlt uns der Hauptmann auch eine Belohnung, wenn dieser Kerl tot ist.«
Er holte mit dem Messer aus. Ich drehte den Spiegel und ein greller Lichtstrahl schoss in seine Augen. Er hielt inne, hob schützend eine Hand. Maljen nutzte diese Chance. Er sprang auf, packte Langgesicht und schleuderte ihn mit Wucht gegen die Mauer.
Lew lockerte seinen Griff, um Maljens Gewehr anzulegen, doch ich wirbelte herum, hob den Spiegel und blendete auch ihn.
»Was zum â¦Â«, zischte er und kniff die Augen zusammen. Bevor er sichâs versah, rammte ich ihm ein Knie zwischen die Beine. Als er sich krümmte, legte ich beide Hände auf seinen Hinterkopf und lieà das Knie in sein Gesicht schnellen. Ein hässliches Knacken ertönte. Ich trat zurück und er fiel hin, eine Hand auf der Nase. Blut sprudelte zwischen seinen Fingern hervor.
»Das warâs!«, rief ich. Ach, wenn Botkin das gesehen hätte!
»Komm schon!«, sagte Maljen und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Als ich mich umdrehte, erblickte ich Langgesicht. Er lag bewusstlos vor der Wand.
Maljen nahm den Rucksack und floh durch die Gasse, fort vom Lärm des Festzugs. Lew stöhnte, hielt aber noch das Gewehr. Ich trat ihm wuchtig in den Bauch und folgte Maljen.
Wir rannten an leeren Läden und Häusern vorbei, liefen wieder über die HauptstraÃe und tauchten dann im Wald unter. Maljen legte ein wahnwitziges Tempo vor, führte uns durch einen schmalen Bach und über einen Höhenrücken, und so ging es immer weiter. Wir legten viele Werst zurück. Ich glaubte zwar nicht, dass die Diebe noch in der Verfassung waren, uns zu folgen, konnte Maljen aber nicht einmal zum Anhalten auffordern, weil ich so auÃer Puste war. Endlich wurde er langsamer und blieb stehen, bückte sich tief, die Hände auf die Knie gelegt, und keuchte.
Ich sank auf den Rücken. Mein Herz raste und in meinen Ohren rauschte das Blut, während ich versuchte, im Schein der durch die Bäume fallenden Nachmittagssonne zu Atem zu kommen. Als ich das Gefühl hatte, wieder sprechen zu können, stützte ich mich auf beide Ellbogen und fragte: »Alles in Ordnung?«
Maljen betastete die Wunde an seiner Schläfe. Er zuckte zusammen, obwohl sie nicht mehr blutete. »Ja, alles in Ordnung.«
»Werden sie uns verraten?«
»Aber sicher. Sie werden auf ein paar Münzen für diesen Hinweis spekulieren.«
»Bei allen Heiligen!«, fluchte ich.
»Das ist nicht mehr zu ändern.« Dann breitete sich zu meinem Erstaunen ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Wie hast du gelernt, so zu kämpfen?«
»Durch die Grischa-Ãbungen«, flüsterte ich theatralisch. »Der uralte Trick: in die Weichteile treten.«
»Hauptsache, es funktioniert.«
Ich lachte. »Das hat Botkin auch immer gesagt. âºKein Theater, nur muss wehtunâ¹Â«, zitierte ich und ahmte dabei den schweren Akzent des Söldners nach.
»Kluger Kerl.«
»Der
Weitere Kostenlose Bücher