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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wer ein Mann ist, darf den Kampf aufnehmen gegen eine ganze Welt von Vorurtheilen. Ich will endlich einen Zweck haben, einen Lebensinhalt. Es drängt mich, meinem unnützen vergeudeten vertrödelten Leben den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Ich will kämpfen für das höchste Gut des Mannes: für die Frau, die er liebt.
    Kathi, ich liebe Dich, ich liebe Dich. Was können alle Dämchen der Welt mir sein neben Dir! Du hast Dich mir hingegeben aus Liebe, ich will Dir's vergelten.«
    »Womit?« fragte sie. Es klang schüchtern zaghaft, aber ein Zucken der Lippen und ein schlau gespanntes Aufleuchten der Augen verrieth, daß sie ihn wohl verstand.
    »Ich will – nun, ich will Dich heirathen. Bei allen Göttern und Teufeln! Ich schwöre es.«
     

V.
     
    Rother langte mit der Eisenbahn vom Randsfjord in Hönevoß an, ohne daß er irgendwo eine Spur gefunden. Vielleicht waren sie noch westlicher nach Thelemarken eingebogen.
    Unterwegs hatte er einen schäbig aussehenden kleinen Mann getroffen, der ihn nicht verstand, ihm aber, als sie zu Hönevoß ankamen, einen stattlichen Herrn vorstellte, der Deutsch und Englisch verstehe.
    Dieser Herr von sehr gentlemanliken Formen entpuppte sich als reicher Agent, der so ganz beiläufig erzählte, er habe den nächsten Wald da drüben soeben für 50000 Dollars gekauft. Und zwar von dem kleinen schäbigen Mann mit dem zerzausten Bart, den Rother für einen Schuster hielt und der sich beiläufig als ein Mann herausstellte, dem das ganze Waldterrain (Hönevoß lebt vom Holz, wodurch es früher Unsummen verdiente) und Mühlen und Wirthshaus gehörten. Als Rother den gebildeten Agenten, nachdem man sich umgekleidet, draußen am Wasserfall suchen ging, kam ein Mädchen aus dem Nebenhaus aus ihn zu und lud ihn in wohlgesetzter Rede zum Abendessen ein, woselbst jener Herr bei Vatern sei. Der Millionär lebte wie ein Handwerker – wenig, aber herzlich gegeben: Buttermilch und Butterbrot. Rother beneidete und bewunderte im Stillen diese Leute, so einfach und schlicht im Aeußern, anspruchslos nur einem edlen Zwecke geweiht: möglichst viel Geld zu machen, aber ohne alle Ostentation! Hier wenigstens fehlte aller Größenwahn.
    Doch er irrte sich. Denn alsbald ging das Jammern los, wie das Holz, durch dessen Export nach Amerika sich früher das Land bereicherte, immer im Preise sinke und die Entholzung das Land erst recht ruiniren werde. Jaja, die heutige schlechte Zeit! Jeder will gleich mit eins reich werden – daher die viele Schwindelhaftigkeit und der zunehmende Bankerott des Nationalwohlstandes.
    Früher blühte auch die Schiffahrt. Da häuften die Rheder und Großhändler manch gewichtigen Batzen. Aber heut – alles Holzschiffe, alles untauglich geworden für den modernen Verkehr, gegen die Concurrenz der Deutschen verloren. Und dabei will Jeder hochhinaus leben, viel besser wie in Deutschland. »Wir Normannen glauben nun mal, weil wir die Freisten in Europa sind, wir müßten auch die Glücklichsten sein!«
    Also auch hier nationaler Größenwahn , der sich hinaufschrauben möchte über die natürlichen Verhältnisse weg!
    Als Rother am andern Tag nach Drammen dampfen wollte (ihm war endlich die Geschichte langweilig geworden und er verlangte nach Haus), fuhr ihm der Zug vor der Nase weg; weil er auf ein Signal gewartet hatte, als er Limonade auf dem Perron trank, während hier alles lautlos, nur mit Wink und Pfiff, zugeht.
    Er langte also wieder in Hönevoß an. Da er erhitzt und müde war, beschloß er zu baden. Man wies ihm eine Natur-Badeanstalt in freier Luft, wo ein Bergquell durch eine hölzerne Rinne herabgeleitet wurde. Um Mittag bade dort Niemand. Er stieg etwa eine Viertelstunde weit auf steilem Pfad dort hinab, fand den Punkt und entkleidete sich. In der Ferne vor ihm ein reizendes Panorama. Ueber den Schindeldächern der reinlichen Bauernhöfe wirbelten bläuliche Rauchringel empor. Rings einförmiges Bewegen, eintönige Stille. Flöße schwammen den Wasserfall hinab, den man hier als eine Art Dampfwalze benutzt. Wagenfuhren, mit Reisig und Holzblöcken beschichtet, wälzten sich der nahen Sägemühle zu. Allüberall das Hämmern der Spechte, der Schlag der Aexte und das Krachen gefällter Bäume. Unten am Abfluß des Voß flickte ein Fischer in der hier üblichen phrygischen Rothmütze an einem Netz und sonnte sich wie die Florellen, die zu seinen Füßen über den Kieseln spielten.
    Aber diese angenehme seelische Siesta wurde unliebsam gestört. Denn grade, als er auf dem

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