Größenwahn
erfreulichen Anblicks.
»Ja, aber andre Lorbeeren!« dachte das Söhnchen. Denn, daß er mäßige Ohren, aber sehr gute Augen hatte, das merkte er nun schon. Die Musik erschien ihm schaal und nichtig: Man liebt gewöhnlich die Kunst nicht, die einen nicht wieder liebt, man verschmäht mit edlem Stolz, wo man verschmäht wird. Kurz, es war aus mit der Musik. Ein verfehlter Beruf mit sieben Jahren! – Dafür schlenderte er in die Museen und lungerte in Bilderausstellungen herum. Dafür las er Erbauliches über die alten Meister, wie sie so flott und nobel lebten, selber in Palästen wohnten und die Fürsten in ihren Palästen sich vor ihnen beugten. Das gefiel ihm noch mehr.
Dann stand er auch wohl in den Ecken der Soireen – sein Vater machte ein Haus –, horchte auf die klugen Reden der Männer und sagte zu sich: »Wärst Du doch auch so klug oder vielmehr, so berühmt!« Sah er einen werden, so stellte sich der logische Gedanke ein: »Wenn Du erst solch einen hast!« – Vornehmlich aber starrte er die Frauen an, diese Wesen einer andern Welt. Das ist so gewöhnlich bei Knaben, die keine Schwester haben. Die erste Schönheit, die sie erblicken, betrachten sie wie eine leibhaftige Aphrodite, deren Göttlichkeit aber fernhält, die einen unheimlichen Engel.
Dieser ersten erotischen Regungen und der üblichen Kinderkrankheiten erinnerte er sich noch mit fabelhafter Deutlichkeit.
Er absolvirte sehr früh die Schule und bezog die Berliner Akademie, um sich zum professionellen Maler auszubilden. Seine Mittel erlaubten ihm das. Da er aristokratische Manieren hatte, so wurde er alsbald von dem knotigen Kunst-Proletariat, das der Staat heranzüchtet, als Muttersöhnchen gehänselt.
Wie unglücklich er war! Er wurde von allerlei Hirngespinsten betreffs Bosheit und Verfolgungssucht der Menschen, zugleich aber von Visionen seines künftigen Ruhmes gequält. Hängen doch Größen- und Verfolgungswahn innerlich zusammen. Auf der Akademie schimpfte man ihn »das verrückte Genie«. Wäre, er einfach »verrückt« oder wirklich ein »Genie« gewesen – wieviel besser für ihn! Beinah hätte man ihn anfangs als talentlos von der Akademie entlassen, wie dies so oft den Begabteren und Begabtesten, die sich in den Drill nicht einfügen, zu passiren pflegt. Das Talent lernt fast nie etwas auf zwangsweisem Schüler-Wege; selbst die Technik muß es aus sich und an sich selbst studiren. In der Akt-Klasse galt Eduard Rother als der schlechteste Schüler.
Allein, seine merkwürdige Produktivität nöthigte doch eine gewisse Achtung ab. Seine Mappen füllten sich mit Compositionen, aus dem Handgelenk hingeschleudert. Wenn auch sein würdiger Lehrer – einer jener tiefsinnigen »Grübler« über die Kunst, die in gelehrtklingenden Schöngeist-Brochüren alles Moderne verdammen und den großen Stil der »Alten« Preisen, weil sie selbst gar keinen Stil besitzen und ihre nüchterne akademische Formfexerei niedlich weiterputzen – erklärte das freilich für verworrenes stilloses Nicht-Können. Doch die gestaltende Phantasie darin mußte wohl oder übel anerkannt werden.
Bald vollendete Rother sein erstes Bild, eine beträchtliche beklexte Leinewand: »Nero an der Leiche seiner Mutter«, natürlich. Der »Schinken«, um im Künstlerjargon zu reden, wurde in der Malklasse ausgestellt. Die Makarterei der Farbe, deren Effekthascherei jenen Meister noch zu über-makarten strebte, und die unfertige Zeichnung wurden allseitig verdammt. Der Composition konnte man jedoch nicht eine gewisse Größe absprechen. Die phrasenhafte Attitüde der todten Agripina und das Grinsen des Nero-Kopfes mochten wohl affektirt erscheinen, aber eine gewisse dämonische Kraft der Auffassung schien nicht zu verkennen.
Als ihm die guten Freunde und Collegen mit augenscheinlichem Hochgenuß die vernichtenden Urtheile der akademischen Herrn Lehrer darüber hinterbrachten, lauschte Rother stumm und regungslos, nur etwas bleicher wie gewöhnlich. Dann stand er plötzlich auf, musterte sein Bild mit einem kalten »Darin liegt viel Wahres!« und wie man es verhindern konnte, hatte er die Leinwand mit dem Malmesser durchkratzt, zusammengerollt und in den Ofen geworfen. Vielleicht erwartete er, Jemand werde das Opfer retten. Es rührte sich aber Keiner – er kannte die Menschen noch nicht, wie jugendliche Pessimisten ja stets zu optimistisch denken.
Ohne sich umzusehen, trat er nun ruhig an seine Staffelei und führte einen Studienkopf aus. »Na, daß Dich nur nicht
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