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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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darum über dem All. Die Alpen sind starr und leblos – wir leben, denken, handeln, wir sind mehr. Geist und Leib mag verderben, aber bleibt ein Prinzip der Existenz nicht in jedem von uns bestehen, das den Weltensturz überdauert? Nun, und mag's denn sein, gehen wir unter! Ob wir uns wie ein Bläschen Schaum der sich ewig neu gebärenden Woge der Materie mischen oder wie ein wesenloser Windhauch im Sturme der Zeit verwehen oder uns als Perle einfügen der Weltkette und gereinigt als krystallisirte Geistespotenz fortwähren – – namenloser Schmerz der Selbstvernichtung, du birgst namenlose Wonne.
    Ach, sterben, sterben! Alles Schwankende sinkt ins Grab, gern gehe auch ich von hinnen. In jedem Grashalm fühle ich mich ja auferstehen.
     
    Rother hatte Schreibzeug verlangt. Mit tiefer Ueberlegung und stillem Bedacht schrieb er zwei Briefe nach Deutschland in ausstudirt jovialem Ton. Dieselben sollten für später als Beweis dienen, daß er sich keineswegs mit Selbstmordgedanken getragen habe und einem bloßen Unglücksfall erlegen sei. Der erste Brief lautete:
     
    Lieber Knorrer!
     
    Ich befinde mich (eine vorübergehende leichte Verwundung ausgenommen) hier kreuzfidel – lebe, liebe, esse trinke und verdaue ausgezeichnet. Du machst Dir keinen Begriff, wie wohl mir ist, wie ich all meine Schmachtlappigkeiten jetzo belächele. Den Kameelshaar-Ueberzieher aus Salzburg, den Du stets empfiehlst, werde ich mir von hier aus bestellen. – Meine Studienmappe ist voll famoser Motive. Zur Berliner Kunstausstellung werde ich wohl noch 'was fertig kriegen. – Holla, da entschlüpft mir ein Gedichtlein, um das mich Freund Graef und Henry Francis Annesley beneiden möchten!
     

Eine Walküre.
     
    Minnelieder singt sie laut
    An der Wasserhölle Krater.
    Liebreich hinter uns miaut
    Der Familie treuer Kater.
    In den buschigen Schweif ich fasse
    Ehrfurchtsvoll, denn hier am Platze
    Wächst die ganz besondre Nasse,
    Uebergang zur wilden Katze.
     
    Nachtigallen suchen Rosen,
    Keine blühen hier am Stocke.
    Doch dafür zum Minnekosen
    Die lebendige Rose locke!
    Ich bin eine Nachtigal hier,
    Bin ein Künstler, glaube dieses!
    Rose, überleg' den Fall Dir:
    Bin ich werth des Paradieses?
     
    He, wie gefällt Dir das, alter Schwerenöther? Habt's a Schneid? Holdrio!
    Dein Eduard I. der Tolle.
    Gegeben in unserm Hauptquartier zu Hönevoß.
     
    Der andre Brief war an seinen neuerworbenen gräflichen Intimus gerichtet. Ach ja, der erste Amant der schönen Verderberin! Der saß jetzt seelenvergnügt daheim und sonnte sich in seiner neuen Gloriole. Rother lächelte bitter. Welch ein Fant und Esel, ein neuer Werther wie er, der sich noch obendrein schämen muß! Und doch!
     
    Lieber Graf Krastinik!
     
    Mir geht es hier nicht übel. Nur eine Verwundung am Fuße, die ich mir zuzog, zwingt mich, meine Streifereien zu unterbrechen. Hoffentlich bin ich bald wieder hergestellt. Wie gehts? Rüstig vorwärts streben, lieber Freund, und vor Allem das Leben recht wichtig nehmen! Denn wenn man es belächelt, wie's es verdient, dann verliert man allen Arbeitsmuth. Als ich durch die Alpenwildniß mich ins Leere vorwärts schauderte, da dacht' ich wieder: Was sind wir? Wir sind
     
Ein Punkt.
    Den Berggeist ruft ein Echo wach,
    Ein Aufschrei und ein dumpfer Krach.
    Purzelt dort eine Tanne nieder,
    Die aus dem Abgrund die schlanken Glieder
    Aufreckend zu Riesenhöhe sprießt
    Und über den Rand des Saumpfads schießt?
    Nein, die Naturgewalten vom Boden
    Wollen ein edler Gewächs ausroden:
    Von dem Bergrutsch fortgeschoben
    Wurde ein Holzfäller droben,
    Glitt wohl aus im Gneisgerölle,
    Taumelt nieder zur Eiseshölle.
    Und damit ist der Punkt gestrichen.
    Auch Du, der dem I-Punkt stolz geglichen,
    I-A! Wirst wie ein andrer Punkt
    In die Tinte des Nichts hineingetunkt.
     
    Aber man muß solche Stimmungen überwinden. Gewiß, wir Menschen leiden ja alle an Größenwahn , indem wir uns Ameisen auf diesem planetarischen Kehrichthaufen für wichtig halten. Aber was kommt dabei heraus, über unsere Nichtigkeit zu brüten!
     
Ueber die hohen Fjällen.
    Die Luft ist so klar und so frisch und so leicht
    Auf den Fjelden.
    Der alte Adam von hinnen weicht,
    Ich fühle mich frei und als Helden.
    Hinauf zur Alm! Ihr Morgenpsalm
    Ich will ihn euch melden.
    Der zitternde Halm, der springende Salm
    Singt: Frei, wir sind frei auf den Fjelden.
     
Sonnenaufgang in Gudbrandsdalen.
    Was rollen die Wogen des mächtigen Logen
    Doppelt so fröhlich daher?
    Alphörner

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