Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Beste, das Beste. Wozu die paar Jahre noch hinschleppen eines elenden kümmerlichen Daseins, den verglimmenden Docht noch schüren? Aus, kleines Licht!
    Ja, das war das Beste für ihn und für sie. Sie fürchte ihn, hatte sie gesagt. Und was sollte auch daraus werden? Sollte er daheim die Folter weiter dulden, die Folter sie als Gattin dieses reichen Laffen zu sehn, unerreichbar und glücklich, während er verschmachtete? Noch jetzt in seiner Weltabsagung und Selbstvernichtungsgier bäumte sein Größenwahn sich auf gegen solche Herabwürdigung seiner qualvollen Liebe.
    Da war das Beste, er ging. Ging in das Land, von wo kein Wanderer wiederkehrt. So ging er Allem aus dem Weg.
    Und wieder die Stiche in der Brust! War er nicht ohnehin todgeweiht? Ende es denn gleich mit einem Schlage!
    Der Tod stand ihm plötzlich so anheimelnd nahe vor Augen, so greifbar wie ein Freund, der die Hand zum Gruße reicht. Ihm war, als habe er eigentlich nie gelebt ohne Todeswunsch und fange jetzt erst an, sich der Wahrheit bewußt zu werden.
    Aber wie es ausführen? Sich mit dem Messer die Pulsadern öffnen? O nein, unmöglich. Offenbarer Selbstmord – das taugte nichts. Dann würde man nach den Motiven fragen, Alles ausforschen, sein Geheimniß ihm entlocken. So würde Kathi's Zukunft erst recht verdunkelt werden. Das zu verhindern floh er ja gerade ins Grab.
    Da fiel sein Auge auf die Flasche mit Karbolsäure, die der Umschläge halber auf dem Nachttisch vor seinem Bette stand. Wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke, daß man glauben könne, er habe dies Gift mit der danebenstehenden Wasserkaraffe schlaftrunken verwechselt. Und leerte er die Flasche bei seinem angegriffenen und kränklichen Zustand, so genügte das wahrlich, um ihn alsbald zum Styx zu verschiffen.
    Er verschob die Ausführung auf den Abend des folgenden Tages.
     
    Leise Schauer fluthen über die Erde, sie bebt und athmet in beklommener Wonne. Berauschend duften ihre Seufzer, keusche Gefühle quellen empor als Blumen. Und sie entschlummert mit sanftem Erröthen bei dem Abschiedsblick des strahlenden Sonnengatten. Er – er lenkt ihre eigenen Pfade nach festen Gesetzen unwandelbar in rollendem Laufe von oben – aber ewig trennt der kalte feindliche Aether die Gatten nach festen Gesetzen. Einst wird kommen der Tag, wo aufjauchzend in brausendem Sturme in des Geliebten Arm stürzen wird die sehnende Erde. Aber sein Kuß ist Flamme und sein Odem Vernichtung. Und wie die Sonnenblume Apollos, wird sie verwehen. Wär' er schon da, der wirbelnde Tag der Vernichtung! O erschölle die grelle Posaune des Richters, wie ein Schwertstreich mitten durchs Herz des Weltalls, wenn im bacchantischen Reigen den Aether durchrasen mit entfesseltem Flammenhaar die Gestirne, scheiternd, wie Orlogschiffe mit brennenden Masten, im unermeßlichen Raum, dem brandenden Chaos! O dann voll zu empfinden die Größe der Schöpfung in ihrem Sturze, wie die gefällte Palme deutlicher zeigt den Schwung ihres Riesenwuchses! O zerschmettert zu werden zu einem Atome, das nur das Samenkorn eines künftigen Daseins! Losgelöst vom Staub in geistigem Wesen durch die versinkende Welt dahinzufliegen, – zaghaft flatternd zuerst, wie staunend und gaukelnd ein Sommerfalter schwebt um schwarze Ruinen, – aber höher steigend, wie eine Lerche, die des Schöpfers Bewußtsein in Lieder aushaucht, – endlich mächtig entfaltend unendliche Schwingen, wie ein Aar aufsteigend zum Thron der Allmacht! Dann zerreißt der Schleier vom Bild der Gottheit, und wir stürzen, vom Blitz ihrer Größe getroffen, zu ihren Füßen. – Hallelujah, Vernichtung! Wird nicht das Blut den Adern der bleichen Erde schöner entströmen in unversieglichen Wellen, als es träge jetzt sickert, mit Fieberröthe, Gesundheit heuchelnd, tünchend die welken Wangen?
    Ach, wenn die Welt-Galeere zerscheitert in tausend Stücke, an die wir Alle geschmiedet mit unlöslichen Fesseln – mitzusterben den großen Welttod, süßer ist's, als mitzuleben das Allsein!
    Weltvernichtung, Selbstvernichtung! Tausendmal größer als unsre winzige Erde, strömen Protuberanzen flammenden Dunstes von der Sonne aus, hornförmige Zacken an der Lichtscheibe, die wir bei klarer Strandluft mit bloßem Auge erkennen. Ist der Weltuntergang nah vor der Thür, bricht sie schon heran, die große
Darkness,
wo die Sonne alle Weltlichter verzehrend auslöscht? Wo wir mit der Erde zu Spreu verbrennen oder vergletschern? Und doch – des Menschen Geist umfaßt das All, steht

Weitere Kostenlose Bücher