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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Unsauberkeit. Alles schwamm dort durcheinander, so daß selbst die Stiefeln durchnäßt wurden. Ein scheußliches Symbol für den sonstigen moralischen Schnupfen, den man sich holt.
    »Nicht wahr, mein Kind, wir Beide gehen ganz allein nachher eine halbe Stunde spazieren, um uns abzukühlen?«

    Er bejahte, wenn sie rasch mache.
    Draußen ging das Gezanke mit den Mamsells wieder los und einige späte Nachtgäste, die erschienen waren, um Jux zu machen, wurden ersucht sich »etwas plötzlich« zu entfernen.
    Er hatte es satt, so lange zu warten, während sie draußen geschäftlich herumschimpfte. Er trat daher hinaus mit Ueberzieher und Stock. Da er sie nicht sah, wollte er schon hinuntergehn, als sie von oben mit Muff, Hut und Mantille kam. Sie rief entrüstet: »Na, was ist das?«
    »Ich warte,« erwiderte er. »Aber bitte, sehr rasch!«
    Sie maß ihn mißtrauisch und sagte unvermittelt: »Ach, Sie sind mir ein fauler Jakob! – Nur einen Moment, daß ich Kasse mache!«
    Aber auch das dauerte endlos; ihn ergriff ein unbesieglicher Widerwille.
    »Ich muß wirklich gehn,« sagte er plötzlich.
    »Gut, dann machen Sie, daß Sie fortkommen,« entfuhr es ihr.
    Er verbeugte sich kalt. »Ich danke für die gnädige Entlassung,« drehte sich auf den Hacken um und ging.
     
    »Das war neulich von Dir ein gemeiner Zug! Mich da im Pelz stehn lassen.«
    »I, so lange zu warten hatt' ich weder Zeit noch Lust.«
    »Da sieht man, wie Du mich liebst! Aber auch gar nicht!«
    »Oho, ich liebe Dich fürchterlich!«
    »Fürchterlich – das ist schon nichts, das ist Ironie. Du kommst mal alle acht Tage und denkst: Willst mal zu der Frau 'raufgehn und mit ihr eine Flasche Wein trinken. Das ist ganz gemüthlich. Aber Liebe! Liebe für mich allein!«
    Er sah sie fest an und sagte ruhig:
    »Warum liebst Du mich denn?«
    Sie gerieth wieder in Extase und fiel ihm um den Hals: »Wie reizend das wieder herauskam! – Warum! ich Dich liebe? Erstens, weil ich Dir ganze Nächte lang zuhören könnte, wenn Du erzählst – zweitens, weil Du so schöne Augen hast – und drittens, weil Du anständig bist.«
    »Na ja!« Er küßte sie. – »Ich muß Dir ja das Küssen beibringen. Das verstehst Du nicht.«
    »Aber ich laß mich gern küssen.«
    »Oho, das klingt verdächtig.«
    »Wie, hast Du schon je gesehn, daß ich mich küssen ließ?«
    »Nein, ich hab's nicht gesehn, das ist eben das Schlimme,« brummte er ironisch.
    »O Du!« Sie preßte ihn innig an sich. »Riech mal!«
    Damit drückte sie sein Haupt an ihren üppigen Busen, wie sie das mit wohlberechneter Absicht zu thun liebte.
    »Ach wie berauschend!« gähnte er, den Parfüm einsaugend.
    »Wenn wir erst verheirathet sind, berausche ich Dich noch anders.«
    Sie küßte ihn glühend ab.
    »Na, nur zu! Ich bin bereit, Sphinx.«
    Er lächelte neckisch, weil er wußte, daß ihn das gut kleidete. Richtig quietschte sie auch: »O die Grübchen!« und stellte sich wie bezaubert, indem sie jedoch »auf den Schreck« Glas auf Glas hinunterstürzte und ihn ebenfalls animirte. »Denn wie Du weißt, mein Schatz, Liebe ist Liebe und Geschäft ist Geschäft.« So verschwanden die Flaschen natürlich eilig genug, da ja die wackern Mamsells regelmäßig ihr Theil erst einschenkten und wegtrugen – als Preis für das Alleinlassen des Pärchens. Sie wurde ihm heut so langweilig mit ihrem Erzählen von ihren schweren Träumen und schlaflosen Nächten, und von den vielen gemeinen Insinuationen, die man an sie richte (das »kräftige junge Weib, das etwas bedürfe«), und von den Geschenken und Nachstellungen ihrer Anbeter, – daß er sich gähnend erhob und bald das Weite suchte, von ihr die Treppe halb hinab verfolgt. Als er nach acht Tagen wieder erschien, war sie nicht sichtbar, sondern fröhnte im hintern Zimmer dem Champagner mit irgend einem Verehrer. Als er nach wenigen Minuten ging, rauschte sie heraus, ihm nach, in einem schwarzen Atlaskleid mit hochgerötheten Wangen. Er kniff das eine Auge zu, zeigte auf die bewußten Wangen und sagte »O!«
    »Julitz war heut göttlich!« rief sie mit affectirter Absichtlichkeit, indem sie den Kopf junonisch zurückwarf kund ihn fest anblickte. Hoffte sie etwa, daß ihm das eifersüchtigen Aerger errege? Er verbeugte sich lächelnd, küßte ihre Hand und sprach väterlich: »Julitze nur weiter, Kind. Meinen Segen hast Du.«
    »Wir müssen doch auch 'was für die Unsterblichkeit thun!«
     
    Es war spät und kein Gast mehr anwesend, als er nach etwa zehn Tagen

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