Größenwahn
entblößte.
»Ha, wäre ich die Welle, die Deinen Leib umschließt!« deklamirte er in ungesunder Brunstaufwallung. »Wahrhaftig, ich würde zur Flamme werden!«
»Zur Flamme? Ei!« Ihr Auge funkelte. »Wenn, ich nun aber selbst die Welle würde, die Dich umwogt! Ich würde Dich schon herunterziehen, was?« Und zur Bekräftigung drückte sie seinen Kopf fest an ihren Busen.
Er aber phantasirte fort: »O Sphinx! Könnt' ich doch in Dich hinüberfließen, mich selbst zernichten in Deiner Lebensfülle –« (»Lebensfülle ist jut!« sie knöpfte sich sämmtliche Knöpfe ihres Mieders auf) »in wunschlosem Gestorbensein!«
»Wunschlosem? Oho! Das will ich nicht hoffen! Prost!« Er lachte leicht auf, indem er mit ihr anstieß. Aber unwillkürlich durchschauerte es ihn dabei, als ob ihm der Tod als lieber Gesell zur Seite säße und ihm grinsend ein blutiges Glas entgegenstrecke. Ihm wurde so nachtwandlerhaft zu Muthe, als habe er all sein Leben nur geträumt. Wie lange kannte er nun schon dies Weib! Als sie noch »glücklich« verheirathet war, hatte er schon mit ihr eine eigenthümliche »Freundschaft« gepflegt. Greisenhafte Narrethei!
Wie Betrunkene am Abgrund vorübertaumeln – wann wird er sie beide verschlingen?
»Das reine Gretchen in Auerbachs Keller!« murmelte er halb gedankenlos.
»Nanu!« Sie lehnte sich mißmuthig zurück. »Das ist manchmal Alles so – so falsch bei Dir! Man weiß nicht – ich ärgere mich über Dich.«
»Daß ich noch nicht weiter bei Dir bin, wie?« fuhr es Leonhart heraus.
Sie sah ihn mit einem langen Blick an.
»Du sprichst ein großes Wort gelassen aus.«
Sie spielte wieder ein wenig auf der weinerlichen Moll-Seite. »Ach, ich habe doch Alles verloren mit meinem Mann. Wer kümmert sich sonst um mich!« Sie sah ihn kokett an. »Was, Du doch etwas? Nicht? ›Daß Du mich liebst, daß weiß ich,‹ summte sie neckisch.«
»Auf Deine Liebe.. beiß' ich,« ergänzte er und biß sie leicht in die Backe, über welchen beißenden Scherz sie in ungebärdige Extase gerieth, aber doch Geschäftsruhe genug behielt, von wegen des eben mit dem Notenblatt eintretenden und bei dem allzu intimen Anblick des Pärchens diskret entweichenden Klavierspielers, eilig zu rufen: »Gieb Mozarten 50 Pfennig! – Hier, Herr Musikdirektor!«
In ähnlicher Weise wurden die Mamsells, die ihr Tribut-Glas holen kamen, fortmanövrirt. Von Kneifer-Mary wußte Frau Wirthin übrigens ein famoses Abenteuer zu erzählen.
Sie wollte sich ausschütten vor Lachen. »Also, da kam ein Weinhändler her, Namens Strauß, und wollte Wein bei mir verkaufen. Da wurde die kleine Mary wie verrückt, als der Mann mit mir eine Flasche Wein trank; es war ein hübscher Kerl. Und als ich das nun sah, sagte ich ihm, als er ging, um, wie er sagte, eine Stunde spaziren zu gehen: ›Nehmen Sie doch die Kleine da mit!‹ Das that er denn, weil ihm nichts andres übrig blieb, denn die Person zog gleich ihre Mantille an. Na und als sie zurückkam, da schwärmte sie nun. Und ihm ist sie ein Ekel. Also, was thun wir? Sagen ihr, er wäre hier gewesen, als sie fort war, und hätte ihr ein goldenes Armband mit einem Hufeisen darauf gebracht. Da war sie außer sich. Und was thun wir wieder? Kaufen für 50 Pfennig im Passage-Bazar ein Simili-Armband, finden zum Glück noch eins mit einem Hufeisen. Ich packe das nun in eins meiner Juwelirkästchen, nehme einen Bogen Rosapapier und schreibe: ›Meine süße Maus!‹ Und so weiter – Du kannst Dir denken. Das wird nun angeblich durch einen Dienstmann als Paket gebracht. Na, meine Mary also wie rasend! ›Ist's auch echtes Gold?‹ sagt sie, weil das Simili natürlich keinen Glanz hatte. ›Ja, Mattgold!‹ Am andern Tage kam sie freilich, ihre Wirthin hätte gemeint, es wäre vergoldetes Silber. Ich aber ganz empört: ›Nein, Fräulein, Sie sehen doch, es kommt vom Juwelier. Da giebts nur echtes Gold.‹ Und dann stellen wir einen Strauß von allerlei Blümchen zusammen und schicken ihr das wieder mit einem Rosabriefchen, unterschrieben: ›Dein Sträußchen‹. Er habe es heut nicht aushalten können, ohne ihr einen Beweis seiner Liebe zu geben; morgen komme er. Na, die Extase kannst Du Dir denken. Den ganzen Tag wandelte Sie herum mit verschämtem Gesicht, wie eine Braut.«
Die schöne Helena wieherte ordentlich vor Vergnügen und fiel Leonhart krampfhaft um den Hals.
»Ach, Du bist doch der beste edelste Mensch! Wenn ich mit Dir ein Stündchen plaudere, schwebe ich wie im Himmel; bin
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