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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zum Feldherrn aus. Die »militärische Erziehung« hat also auf das wichtigste Moment des militärischen Erfolges: die Feldherrnerzeugung , nicht den geringsten Einfluß. Sie könnte hier höchstens schädlich wirken, da ihr Grundprinzip, das Nivelliren, die Eigenart niederdrückt und das Prinzip der geduldigen Unterordnung, des Avancements nach Anciennität, das Aufkommen des Genies ohnehin hindert. Daher sind Revolutionszeiten (siehe die französische Revolution, den amerikanischen Befreiungskrieg und später den Secessionskrieg) die wahren Pflanzstätten militärischer Begabung, während die berühmte »militärische Erziehung« nur entweder Theoretiker oder Gamaschenhelden erzeugen kann.
    Wir fragen also nochmals zum Schluß: hat der Größenwahn des neudeutschen Militarismus das Recht, sich mit solcher Wichtigthuerei als Hauptfaktor der Volkserziehung aufzuspielen? Wir antworten mit einem kräftigen: Nein.
    Das Soldatenthum ist auf lange Zeit hin ein nothwendiges Uebel und wir nehmen den Offizier mit stiller Resignation als ein unabänderliches Utensil der sittlichen Weltordnung mit in den Kauf. Doch dem Offizier zu den großen äußern Vorrechten seiner Stellung auch noch ein ideales Piedestal zu errichten – diese Zumuthung lehnen wir ruhig, aber entschieden ab.
     
    Leonhart machte hier eine kurze Pause, trank ruhig ein Glas Wasser, indem er seinen Blick gleichmüthig über die offenbar mißgestimmte, sich räuspernde und unruhige Versammlung hingleiten ließ und fuhr fort:
     
    Wer seine Nation verachtet und das Fremde vergöttert, wie der Deutsche es früher that, verdient, daß er gar kein Vaterland habe. Wer hingegen seine Nation plötzlich als Ausbund aller Tugenden feiert, wie das jetzt nach dem Muster der Franzosen und Engländer in Deutschland beliebt wird, mag für seine Thorheit selber büßen. Denn nicht Patriotismus ist der Grund solch chauvinistischen Selbstgefühls, sondern jene uranfängliche Philisterfaulheit, die sich in dem Unrath ihrer eignen Dummheit ganz behaglich fühlt. Es lebe die Bärenhaut! Alle Institutionen Deutschlands sind musterhaft. Wer dagegen schwatzt, ist ein Skandalmacher. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
    Ueber die zwei Cardinallaster, die zwei Hauptpuppen des speciell preußischen Größenwahns möchte ich hier ein wenig unehrerbietig freveln.
    Es ist schon gut gesagt worden, angesichts der unglaublichen Phrase, die an Phantastik eines V. Hugo würdig: »Der Schulmeister hat die Schlachten von Königgrätz und Sedan gewonnen« –: »Larifari, der Unteroffizier hat sie gewonnen.«
    Ja wohl, das klingt wenigstens nach gesundem Menschenverstand. Und dennoch ist auch dies eine ganz vague Behauptung, die sich ins Unendliche fortsetzen ließe. Denn sicher war es weit mehr die gewandte und umsichtige Führung der Offiziere selbst, sodann die Leitung des Generalstabs, die allgemeine vortreffliche Ausrüstung der Armee; endlich der Wille der Vorsehung, die das zu erstrebende Ziel längst vorgesteckt hatte. »Den Zufall giebt die Vorsehung«, bemerkt Marquis Posa, »zum Zwecke« – muß halt der Mensch dabei sein. Und da helfen z.B. im Kriege Unteroffiziere und Offiziere durchaus nichts, falls nicht die angeborene Tüchtigkeit und Energie und Tapferkeit des Soldatenmenschen, des sogenannten »Kerls«, dahinter sitzt. Jeder, der ein wenig mit militairischen Dingen vertraut ist, wird wissen, daß die ewig neu erhobene Behauptung jedes Reservisten: er habe genau die Hälfte seiner drei Jahre rein für Nichts vertrödeln müssen, ja das Alles in weniger als einem Jahr lernen können, – stets belächelnswerth bleibt, da ja interne Kasernenfragen und Commiß-Gewohnheiten gerade die drei Jahre vom Mark und Schweiß des Bürgers bedingen. Mit weniger wird halt die Drehung des regelrechten Zopfes nicht erreicht, der dem ganzen modernen Heerwesen noch immer im Nacken baumelt. Kann man mit einem Jahr Ausbildung einen Gemeinen erzielen, der vor dem Feind seinen Mann steht? – O pah, dazu braucht's nur eines Halbjahrs – wie bei den Einjährig-Freiwilligen, die ja ihr zweites Gefreiter-Halbjahr auch eigentlich nicht brauchten. Im Grunde taugen sogar auch die eben erst Eingezogenen dazu, wenn sie nur von gutem Geist beseelt sind.
    Aber, mein Verehrtester, was gilt das uns? Wir wollen nicht gute Vaterlandsvertheidiger , wir wollen Soldaten mit allem Gamaschen-Zubehör. Wir spielen halt gern Soldätles und dazu brauchen wir drei Jahre .
    Sehr gut. Wer kann einen so rührenden Geschmack

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