Größenwahn
nicht, junger Mann – man ist ein enger Geist. Man suche sich am Postament erhabener Ahnen emporzuranken.
CICERO. Jetzo banne geläutertes Mannesthum der Jugend Frevel in gebührende Schranken! In der Moral nur – da steckt die Kraft. Du lächelst? Ah, Du vermagst mich nicht zu begreifen
CATO. Der Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung –
CÄSAR. Unordnung vielleicht. Ein Kampf gegen mottenzerfressene Vorurtheile.
CICERO
bitter.
Ach ja, die Vorurtheile der Zucht und Sitte hemmen den freien Geist. Was rede ich noch! Die Wahl steht vor der Thür. Siegt Catilina – dann, Rom, gute Nacht! Er soll nicht siegen, ich bin da! Heut gilt es, Freund und Feind zu kennen. Wer nicht für uns ist, ist wider uns. Im Namen der Moral, bekenne Farbe!
CATO. Man wähle gesinnungstüchtig den erprobten Mann der Regierung! Marcus Portius Cato gab dem Cicero seine Stimme – Römer, gehet hin und thuet desgleichen!
CÄSAR
lauernd.
Die Wahl ist euch ja doch so gut wie gesichert?
CATO. Wehe! Die Verderbniß der Zeit trägt ihre Frucht. Dolch und Gold schrecken und blenden den Sinn der guten Bürger. Geist der Vorzeit, verhülle dein Haupt!
CÄSAR. Hochzuverehrende Mitbürger, was hilft dem großen Cicero meine eine arme Stimme!
CICERO
wüthend.
Cäsar, das ist ebenso lächerlich wie abscheulich. Du kennst Deine Talente so gut wie wir selbst. Du willst nicht helfen.
Anto nius Maior tritt durch eine Seitenthür hastig ein und bleibt betroffen aus der Schwelle stehn. Ihm folgen Sulla minor und Clodius Pulcher . Betretene Pause.
Aha, unser würdiger College in Zukunft, unser würdiges Staatsoberhaupt! Cäsar, es ist genug. Wir überliefern Dich einer würdigeren Genossenschaft. O Moral, Moral!
CATO. Wehe! O Rom, wie tief bist du gesunken!
Beide ab.
CÄSAR
gelassen.
Willkommen, ihr Lieben! Ah, Sulla, welch östlicher Besatz an Deinem Mantel! Deine Locken sind gut gebrannt und die Schminke – laß sehn! Vortrefflich.
Ruft.
Heda, Marius!
Ein Freigelassener kommt.
Bring Cäcuber-Wein!
CLODIUS. Marius, wie?
CÄSAR. Sieh da, Clodius Pulcher, welche Freude!
Für sich.
Was will Der bei mir?
Laut.
Ja wohl, ich besitze auch einen Sulla. Ich nenne meine Freigelassenen immer nach solchen Urahnen. Ich liebe es, mich am Postament erhabener Vorzeit emporzuranken.
Diener bringt Wein.
CLODIUS. Du? Nun, unsre Vorfahren – Dein Wohl, Sprößling des Sulla! – waren groß, aber langweilig. Waren sozusagen nicht von »gutem Ton«.
CÄSAR
ernsthaft.
Wie wahr! Hat sich was mit ihrer brüllenden Riesenhaftigkeit! Ihr Tigergrimm und Löwenzorn – drollig! Diese Metzeleien aus Rache und Ueberzeugung! Wie anders wir Neueren – nicht, kühner Clodius? Wir morden mit kaltem Blut, wir würgen ohne Leidenschaft – darin sind wir unerreichbar.
CLODIUS. Das ist's, Du verstehst mich ganz. Marius vor Rom, Sonnenuntergang, gewitterschwangere Augenbrauen, kochende Lavagluth der Heldenseele – bah! Wir haben kaltes Erz, wir Gladiatoren, für solche Löwenhitze. Wir Männer der Zukunft – da ist alles kahl, kühl, kalt.
CÄSAR
an seine Glatze fahrend.
Besonders kahl, geliebter Clodius.
SULLA. Auf Ehre, ganz meine Ansicht. Nur wir stehn auf der Höhe des Jahrhunderts.
CÄSAR. Stehn wir! – Sprechen wir also von Geschäften!
ANTONIUS MAIOR. Nun, ich darf ja sagen, es macht sich. Stimmen wie Heu! Majorität unberechenbar! Ja, das ›Wie‹ ist schon sicher, aber das »Was«!
CÄSAR. Was heißt »Was«?
ANTONIUS MAIOR. Consulat ist ein schön Ding. Wir sind nicht dazu aufgestanden, um ein paar Schulden zu bezahlen. Es giebt noch andre Rechnungen zu begleichen.
CÄSAR
gedehnt.
Ach, das heißt »Was«? – Lieben Freunde, ich habe zu thun. Ich fahre aus.
CLODIUS
eifrig.
So? Jetzt gleich?
CÄSAR
befremdet.
Ja wohl. – Dringende Geschäfte.
SULLA. Ich auch. Mein Schneider wartet.
CLODIUS. Ich schlendre durch die Straßen. Schöne Augen – trala!
SULLA. Ich begleite Dich.
CLODIUS. Danke. Ich jage stets allein. – Dein Diener, Julier!
Ab.
ANTONIUS MAIOR. Das »Was«!
CÄSAR. Das »Was«!
Antonius und Sulla ab.
CÄSAR
allein.
Bringt man beide durch, Catilina und diesen Lumpen, so ist die Aristokratie verloren. Mein Schwiegervater, der Säbelmann, soll nur anrücken mit orientalischen Gelüsten – ehe er den Fuß auf italischen Boden setzt, sind wir hier fertig. Laß sehn! Ist dieser Catilina ein geistreicher Schwärmer, – gut. Wagt er's aber mein Doppelgänger zu sein, so eine verpfuschte Copie der Natur nach meinem Bilde, so heißt es: Er oder
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