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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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werden. Sie, ein so ungeduldiger Feuerkopf! Ja, unmöglich. Traurig! Sie haben Ihren Beruf verfehlt, hätten in den Generalstab gemußt.«
    Leonhart schüttelte den Kopf. »Ich zweifle. Auch das würde mir nichts nützen. Ich gehöre zu Denen, die nur an erster Stelle commandiren können oder gar nicht. In irgend einer Ausnahmezeit wäre ich vielleicht 'was geworden, wie der Ackerbürger Cromwell und der verhungernde Bonaparte. Aber an so etwas darf man nicht denken. ›Der Mann seines Schicksals sein‹ – jaja, wenn das Glück so nachhilft! Der Corse hatte gut reden! Mein Schicksal ist zu schweigen und zu dulden .«
    »Aber darin liegt etwas Unerträgliches, eine Infamie des Schicksals!« Krastinik gerieth in ordentliche Aufregung. »Ich wiederhole, ich verstehe genug davon, um zu erklären: Sie sind ein geborenes strategisches Genie. Und wenn Sie das nicht wären, hätten Sie ja wohl nicht von Jugend an sich heimlich mit Dingen beschäftigt, die Sie ja gar nichts angehn und Ihnen keinerlei Nutzen bringen.«
    »Wohl möglich. Aller psychologischen Logik nach, müssen Sie wohl recht haben. Allein, was ändert das! Hier ist der Lessing'sche Unsinn von dem ›Rafael ohne Arm‹ einmal anwendbar. Rafael ohne Arme ist eben gar kein Rafael; aber Rafael, der zu Grunde geht, weil ihm Niemand Bilder bestellt, da steckt der Knoten! O diese Tragödie, die furchtbarste des Menschenlebens, der Kampf des Genius mit der Welt! Dem Erfinder vorsagt man das Geld, um es an Uniformknöpfe zu vergeuden, oder steckt den Erfinder der Dampfmaschine ins Irrenhaus als Ideologen, wie Napoleon dies fertig brachte. Kolumbus erbettelt sich kaum ein paar wacklige Nußschalen für eine weltumgestaltende Großthat. Natürlich! Der Geniale, dessen Intuition kraft göttlicher Eingebung mit eins die innere Wahrheit der Dinge erschaut, wird von der blöden Unfähigkeit der Weltautoritäten nach seiner amtlich patentirten Beglaubigung gefragt. Ja, die kann er nicht vorzeigen! Cromwell, das geborene Staats- und Feldherrngenie, kann sich nur als schlechter Landbauer ausweisen, Kolumbus hat gar kein naturwissenschaftliches Doctordiplom hinter sich, Shakespeare vermochte nicht einmal Gymnasialstudien obzuliegen. Was nun? Was fängt die Welt mit einem solchen Größenwahnsinnigen an? – Jajaja, Größe und Größenwahn , wer soll die recht unterscheiden ! Der Alchymist, der den Stein der Weisen fand, spöttelte gewiß über die Narrheit des Kopernikus. Und wenn ein Conquistador in erhabener Liebessehnsucht nach einer jungfräulichen neuen Welt sich sehnt, so lacht gewiß die kindsköpfige Liebessehnsucht eines Ritters nach einem schönen Weibe über solche Phantasterei. – Das alles, lieber Graf, ist alt wie die Welt, alt wie die Welt. Warum sollte ich glücklicher sein, als meine Altvordern?«
    »Nein und abermals nein!« Krastinik hob heftig beide Arme empor und schüttelte sie. »Das kann nicht so geduldet werden. Sie Genie-Ungeheuer Sie! Wer das ruhig mit ansieht, wie Sie hier bleicher und bleicher, stiller und stiller hinsiechen auf Ihrer einsamen Klause – ich habe Sie fast niemals lächeln gesehn –, Der macht sich derselben Todsünde schuldig, wie das Gesindel, das Sie begeifert. Die oberflächliche Mittelmäßigkeit sich auf dem Markte blähend – der hohle Gemeinplatz-Bumbum eines Phrasendreschers wie dieser Alvers als Hohepriesterthum des hehren Idealismus weihestänkernd – und Sie, der Berufene, immer noch ins Hintertreffen gedrängt, weil Sie kein geschniegelter Süßholzraspeler und Ihre Werke zu hoch sind für den dummen Lesepöbel – – es krampft Einem das Herz zusammen! Das ist die Sünde, welche nimmer vergeben wird, die wider den heiligen Geist.«
    »Und grade diese begeht doch die Welt am häufigsten,« ergänzte Leonhart ruhig. »Lieber Graf Krastinik, Sie sind der erste anständige Mensch, den ich im Leben getroffen habe. Sie sind der Einzige, der die jämmerliche Eitelkeit dem Höheren gegenüber, solange dieser nicht durch äußeren ›Erfolg‹ gefeit ist, und den kleinlichen Neid in sich bezwang. Seien Sie stolzer darauf, als wenn Sie eine Batterie erstürmt hätten! Aber lassen Sie mich ruhig verbluten, mir ist nicht zu helfen, weder so noch so. – Sehn Sie hier diese Briefe über mein Drama ›Die Männer von Appenzell‹. O unsere Theaterdirektoren, diese Rotte von Verbrechern am heiligen Geist!«
    Da hatte der Eine nach persönlicher Rücksprache mit dem Autor denn doch entdeckt, daß dem Stücke der geeignete

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