Größenwahn
scharmuzirt von dem schönen Erich v. Lämmerschreyer. Dieser glatte schleimige Bursch hatte eiligst, sobald ihm Schmoller davon klatschte, seinen Finger in die erotischen Wundenmale seines früheren Gönners gelegt und denselben gar leicht in der Gunst dieser ehrgierigen Donna Laura verdrängt, die sich durchaus vom Schicksal erkoren fühlte als morganatisches Ideal eines lorbeergekrönten Petrarka zu dienen!
Da wäre sie bald schön hereingefallen mit ihrem »festen Verhältniß«. Sie mochte ihn ja sehr gern – that er doch immer, wer weiß wie, als ob er mindestens der Großtürke wäre, dieser überspannte Exaltado – nein, dieser pauvre bürgerliche Leonhart, über dessen Schimpfmaul die allwissende »Berliner Tagesstimme« stets so witzig herfiel, konnte ihrem hohen Streben nicht genügen – lang für den erhabenen Herrn von Alvers gehalten! Hingegen, Herr von Lämmerschreyer, Redakteur der »Berliner Tagesstimme« – wie anders wirkte dies Zeichen auf sie ein!
Ja, der ideale Jüngling war wirklich zu der weltbeherrschenden »Berliner Tagesstimme« durch Schlangenwindungen ankriechender Streberei emporgeglitten. Auch sein Freund Rafael Haubitz tauchte zugleich als Theaterkritiker einer größeren Zeitung auf, so daß nun das Jüngste Deutschland alle Segel seines idealen Schwunges zur Reinigung der Litteratur einsetzen konnte. Betrachtete doch Haubitz die gesammte Theaterwelt als eine Mistjauche, die im weitesten Umfange ausgepumpt werden müsse!
Lämmerschreyer aber erstand dem deutschen Volke als geschätzter Kunstkritiker. Wie er das wurde, o es geschehn noch Zeichen und Wunder! Nach seiner eignen Erzählung (er übte sich manchmal in einer wohlfeilen Selbstpersiflage) verhielt sich die Sache so: – – –
»Sie wollen bei uns eintreten?« schnob ihn der Chef des großen Blattes imperatorisch an. »Was können Sie? Womit empfehlen Sie sich?«
»Mein Styl –« begann Jener zaghaft. »Ich schreibe –«
»Ach was! Bei uns wird überhaupt nicht geschrieben – da wird nur geschnitten und geschmiert – geschnitten mit der Scheere, geschmiert mit dem Kleistertopf. Ich frage nach Ihren journalistischen Fähigkeiten. Können Sie machen Skandalnotizen?«
»Ich weiß nicht, ob – wenn Stoff und Grund –«
»Aha, ein Anfänger! Stoff und Grund braucht nicht da zu sein – man findet ihn. Ich frage, können Sie verdächtigen, wie? Können Sie verleumden?«
»Ich glaube, daß in einer guten Schule –«
»Daran wird's Ihnen bei uns nicht fehlen. Doch ich sehe, Sie sind noch grün. Man kann Ihnen den politischen und lokalen Theil nicht anvertrauen. Wie wär's denn mit der Kunst-Kritik, was?«
»Ich verstehe leider nichts davon.«
»
Sancta simplicitas!
Sie sollen aber verstehn! Hier – da! Da ist der Katalog der Kunstausstellung. Schreiben Sie mir ein Feuilleton. Was roth angestrichen ist, wird gelobt. Was gelb angestrichen ist, wird gerissen.«
»Ich werde mich sofort an Ort und Stelle begeben.«
»Gut, tummeln Sie sich. Ich gebe Ihnen eine Stunde zum Besuch der Ausstellung und zwei zur Niederschrift des Artikels. Hoffentlich haben Sie keinen sogenannten ernsten Geschmack?«
»Nein, ich habe gar keinen.«
»Desto besser! So haben Sie doch etwas, was zu einem Journalisten gehört. Vorwärts! An's Werk!«
Der Neuling fuhr per Pferdebahn zur Ausstellung und sah sich die Sachen flüchtig an; dann ging's an's Schreiben à fünf Reichspfennige per Zeile. Zwei Stunden später hatte der Chef das Manuskript in Händen. Bei der Lectüre desselben entglättete sich seine Stirn und er war zufrieden.
» Nussikow's Portraits zeichnen sich wieder durch jene markige kecke Pinselführung aus, welche die überwundenen Standpunkte der alten Schule beschämt. Seine breite massige Farbengebung, sein schönes rothes und gelbes Colorit, seine feinen Pinselstriche, seine unvergleichliche Wiedergabe der Spitzenmantillen, seine wunderbare Kraft in Darstellung des Ewig-Weiblichen und Ewig-Nackten seine saftige Frische – alles athmet die Gesundheit des modernen Realismus.
Adolf v. Werther's herrliches Bild zeigt diesen größten deutschen Meister auf der vollen Höhe seiner gigantischen Genialität, welche zugleich die Phantasie eines Cornelius mit dem Realismus eines Hogarth vereinigt Da ist Nichts von den althergebrachten Formeln eines abgestandenen Idealismus. Alles so natürlich, so naturwahr, so phothographisch genau bis auf die Uniformknöpfe, daß man wirklich vor einer kolorirten Photographie zu stehen
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