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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sah ich erheben süßlich fad ein Angesicht,
    Amoretten es umschweben, Grazie es sanft umflicht.
    Alexander, parfümirter Ritter für Europas Recht,
    Du lebendig balsamirter Lügenpopanz, Pfaffenknecht!
    Ja, das Widerlichste scheinet mir ein fürstlicher Tartuffe,
    Der den Dandy-Chie vereinet mit dem Diplomatenkniff.
    Während Polen wird vernichtet, tanzt sich die Quadrille gut.
    Doch im Innern selbst sich richtet frömmelnde Despotenwuth.
    »Heilige Schwermuth« oder besser: Neue hat sein Herz zerfleischt!
    Denn am stygischen Gewässer andre Tugenden man heischt.
    Keine Fürstengroßmuth, keine Heilige Allianz, o nein!
    Gottesgnadenthum ist eine leere Fabel dort allein.
    »Liebenswürdig« warst Du? Braten sollst Du, heuchelnder Despot,
    In der Hölle Dantes. Platen hat Dir das vorausgedroht.
    Triffst den »guten Kaiser Franzel«, den gemüthlichen, auch dort,
    Während frech man auf der Kanzel euch canonisirt sofort.
    Du, der trieb wie Alexander (wohl damit ihr Beide so
    Etwas ähnlich säht einander!) Vatermord incognito!
    St. Georg, der gern erdrücken will den »Robespierre-à- Cheval«
    Und doch hinter Preußens Rücken mit ihm theilt den Erdenball!
    Held von Erfurt, sanfter Schmeichler, der mit einem Judaskuß
    Selbst den größesten der Heuchler übertölpelte zum Schluß!
    Gecken-Zar und Großmuthsschwätzer, Haupt der Heiligen Allianz,
    Frommer Buhler, Polenhetzer – Heil sei Dir im Siegerkranz!
     
    III.
     
    Schon keimt der nordische Upasbaum
    Und eine Boa von Ketten
    Zuschnürt den ächzenden Weltenraum –
    Wer wird Europa retten?
    Schon ist die Sonne des Gerichts
    Am Horizont entglommen,
    Ein Held entsteigt der Zukunft Nichts –
    Du Heiland, sei willkommen!
    Und Geister der Vergangenheit,
    Sie nahen vielgestaltig.
    Sind wir noch wie in alter Zeit
    Ueber alle Völker gewaltig?
     
    Zum ersten ein unabsehbarer Zug
    Mit schleppenden Hermelinen –
    Den Reif des Kaisers Jeder trug
    Mit majestätischen Mienen.
     
    Die Schwarzen aus salischem Herrschergeschlecht,
    Rothblonde Hohenstaufen –
    Weltgebieter nach ewigem Recht
    Nahten in hellen Haufen.
     
    Verächtlich zuckte der stolze Mund.
    Den Speer hob Otto der Große,
    Als sollte ein neuer Ottensund
    Als Grenzmal ihn bergen im Schoße.
     
    Das baltische Meer schon ahnend zuckt
    Bis an die östlichsten Ränder –
    Grimmhastig Jeder am Gurte ruckt
    Der schleppenden Kaisergewänder.
     
    Dort stack das Schwert des Reichs und wild
    Ausholten sie alle zum Streiche
    Und schlugen an des Reiches Schild
    Am Zweig der Walser-Eiche.
     
    Der sechste Heinrich stolz und starr
    Wuchs auf vor des Ostens Dämonen.
    Er lachte heiser: »Wer bist Du, Narr,
    Der den Kaiser will überthronen?
     
    Wer ist's? Des Nordens kleiner Zar,
    Der neben den Ungarn und Polen
    Als Lehnsmann mir zu eigen war,
    Er will den Tribut sich holen?
     
    Hoiro! Alle Ritter, auf!
    Der Bär hat schlechte Sitten.
    Versöhn' Dich mit dem Hohenstauf,
    O Löwenherz der Britten!
     
    Mit dem Adler jage der Leopard!
    Im tobenden Weltgedränge
    Sei deutscher Longmuth nicht bewahrt –
    Ich lehre euch die Strenge!«
     
    Da stiegen empor zwei Recken frisch,
    Der eine ein derber Bauer.
    In ihm vereint ein seltsam Gemisch'
    Weltlust und entsagende Trauer.
    Eine neue Götterdämmerung
    Weissagen muß er bange.
    Er droht wie Tor mit Hammerschwung
    Der römischen Midgardschlange.
    Der Andre war ein lustiger Fant,
    Ein scharfer Gedankenspalter
    Er liebte Minne und Vaterland,
    Wie der Minnesänger Walter.
    Sonst schonte er nichts und fürchtete nichts
    Und haßte Philister und Kutten – –
    An eurem Wesen uns gebricht's,
    O Luther und o Hutten!
     
    Da aus dem Nebel des Traumes stieg
    Eine Dreizahl von Heroen:
    Ich sah des deutschen Geistes Sieg
    Im Anblick dieser Hohen.
    Sie schwebten auf wie Adlerflug
    Vereint zur Morgenröthe.
    Ihr Genius sie aufwärts trug,
    Lessing, Schiller, Göthe!
     
    Jetzt hob sich aus dem Nebelmeer
    Eine riesenhafte Erscheinung.
    Er war allein und um ihn her
    Der Feinde Völkervereinung!
    Der kleine Mann und der kleine Staat
    Drückten allein sie nieder.
    Zorndorf war nur eine Nebenthat
    Im Kampf mit dieser Hyder
    Und gegen die östlichen Nebel zu
    Hob er drohend die Krücke
    Und scheucht mit herrischem »Du, Du!«
    Sie in sich selbst zurücke.
     
    Nun aber langsam mächtig wuchs
    Wie der steinerne Gast zur Höhe
    Eine ernste Gestalt, ich erkannte flugs
    Den Stein vom Haupt zur Zehe.
    Er kannte den treuen Bundesgenoß,
    Den theuern Moskowiter,
    Der unsern hündischen Dank

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