Größenwahn
sah ich erheben süßlich fad ein Angesicht,
Amoretten es umschweben, Grazie es sanft umflicht.
Alexander, parfümirter Ritter für Europas Recht,
Du lebendig balsamirter Lügenpopanz, Pfaffenknecht!
Ja, das Widerlichste scheinet mir ein fürstlicher Tartuffe,
Der den Dandy-Chie vereinet mit dem Diplomatenkniff.
Während Polen wird vernichtet, tanzt sich die Quadrille gut.
Doch im Innern selbst sich richtet frömmelnde Despotenwuth.
»Heilige Schwermuth« oder besser: Neue hat sein Herz zerfleischt!
Denn am stygischen Gewässer andre Tugenden man heischt.
Keine Fürstengroßmuth, keine Heilige Allianz, o nein!
Gottesgnadenthum ist eine leere Fabel dort allein.
»Liebenswürdig« warst Du? Braten sollst Du, heuchelnder Despot,
In der Hölle Dantes. Platen hat Dir das vorausgedroht.
Triffst den »guten Kaiser Franzel«, den gemüthlichen, auch dort,
Während frech man auf der Kanzel euch canonisirt sofort.
Du, der trieb wie Alexander (wohl damit ihr Beide so
Etwas ähnlich säht einander!) Vatermord incognito!
St. Georg, der gern erdrücken will den »Robespierre-à- Cheval«
Und doch hinter Preußens Rücken mit ihm theilt den Erdenball!
Held von Erfurt, sanfter Schmeichler, der mit einem Judaskuß
Selbst den größesten der Heuchler übertölpelte zum Schluß!
Gecken-Zar und Großmuthsschwätzer, Haupt der Heiligen Allianz,
Frommer Buhler, Polenhetzer – Heil sei Dir im Siegerkranz!
III.
Schon keimt der nordische Upasbaum
Und eine Boa von Ketten
Zuschnürt den ächzenden Weltenraum –
Wer wird Europa retten?
Schon ist die Sonne des Gerichts
Am Horizont entglommen,
Ein Held entsteigt der Zukunft Nichts –
Du Heiland, sei willkommen!
Und Geister der Vergangenheit,
Sie nahen vielgestaltig.
Sind wir noch wie in alter Zeit
Ueber alle Völker gewaltig?
Zum ersten ein unabsehbarer Zug
Mit schleppenden Hermelinen –
Den Reif des Kaisers Jeder trug
Mit majestätischen Mienen.
Die Schwarzen aus salischem Herrschergeschlecht,
Rothblonde Hohenstaufen –
Weltgebieter nach ewigem Recht
Nahten in hellen Haufen.
Verächtlich zuckte der stolze Mund.
Den Speer hob Otto der Große,
Als sollte ein neuer Ottensund
Als Grenzmal ihn bergen im Schoße.
Das baltische Meer schon ahnend zuckt
Bis an die östlichsten Ränder –
Grimmhastig Jeder am Gurte ruckt
Der schleppenden Kaisergewänder.
Dort stack das Schwert des Reichs und wild
Ausholten sie alle zum Streiche
Und schlugen an des Reiches Schild
Am Zweig der Walser-Eiche.
Der sechste Heinrich stolz und starr
Wuchs auf vor des Ostens Dämonen.
Er lachte heiser: »Wer bist Du, Narr,
Der den Kaiser will überthronen?
Wer ist's? Des Nordens kleiner Zar,
Der neben den Ungarn und Polen
Als Lehnsmann mir zu eigen war,
Er will den Tribut sich holen?
Hoiro! Alle Ritter, auf!
Der Bär hat schlechte Sitten.
Versöhn' Dich mit dem Hohenstauf,
O Löwenherz der Britten!
Mit dem Adler jage der Leopard!
Im tobenden Weltgedränge
Sei deutscher Longmuth nicht bewahrt –
Ich lehre euch die Strenge!«
Da stiegen empor zwei Recken frisch,
Der eine ein derber Bauer.
In ihm vereint ein seltsam Gemisch'
Weltlust und entsagende Trauer.
Eine neue Götterdämmerung
Weissagen muß er bange.
Er droht wie Tor mit Hammerschwung
Der römischen Midgardschlange.
Der Andre war ein lustiger Fant,
Ein scharfer Gedankenspalter
Er liebte Minne und Vaterland,
Wie der Minnesänger Walter.
Sonst schonte er nichts und fürchtete nichts
Und haßte Philister und Kutten – –
An eurem Wesen uns gebricht's,
O Luther und o Hutten!
Da aus dem Nebel des Traumes stieg
Eine Dreizahl von Heroen:
Ich sah des deutschen Geistes Sieg
Im Anblick dieser Hohen.
Sie schwebten auf wie Adlerflug
Vereint zur Morgenröthe.
Ihr Genius sie aufwärts trug,
Lessing, Schiller, Göthe!
Jetzt hob sich aus dem Nebelmeer
Eine riesenhafte Erscheinung.
Er war allein und um ihn her
Der Feinde Völkervereinung!
Der kleine Mann und der kleine Staat
Drückten allein sie nieder.
Zorndorf war nur eine Nebenthat
Im Kampf mit dieser Hyder
Und gegen die östlichen Nebel zu
Hob er drohend die Krücke
Und scheucht mit herrischem »Du, Du!«
Sie in sich selbst zurücke.
Nun aber langsam mächtig wuchs
Wie der steinerne Gast zur Höhe
Eine ernste Gestalt, ich erkannte flugs
Den Stein vom Haupt zur Zehe.
Er kannte den treuen Bundesgenoß,
Den theuern Moskowiter,
Der unsern hündischen Dank
Weitere Kostenlose Bücher