Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
die Erde.
    Wie weiße Lavawellen unaufhaltsam
    Nachdrängt vom Berg der Schnee und stürzt gewaltsam,
    Als ob ein Donnerkeil geschlendert werde.
     
    Ein jeder Athemzug macht hier Beschwerde.
    Der Odem wandelt sich zu Nadeln Eises,
    Die sich zerreibend knistern. Und Gefährde
    Bringt jeder Fleck des ungewissen Gleises.
     
    Zelte als Mäntel brauchend, in Kaputzen
    Die Wachen bei dem letzten Kienspahn kauern.
    Den Kugeln zu entrinnen kann nichts nutzen,
    Wer nicht verhungert, stirbt in Frostesschauern.
     
    Sie liegen hier ganz einfach, um zu sterben
    In Myriaden, wie's dem Zar gefällig,
    Die Posten einsam, Bivouaks gesellig.
    Doch massenhaft hinrafft sie das Verderben.
     
    »Am Schipka-Paß ist's ruhig« hieß die Kunde,
    Die angenehm das Ohr des Zaren kitzelt.
    »Am Schipka Alles ruhig« mit dem Munde
    Des Todes rings der Erde Echo witzelt.
     

Der Todtenacker.
     
    Ein ungeheurer Kirchhof ist der Acker,
    Dort modern sie in ungezählten Scharen,
    Bluthunde, die sich würgten flink und wacker,
    Die ebenbürtigen Bestien-Barbaren.
     
    Das heilige Rußland und die heilige Knute –
    Der Sultan, der den Paschas, die nicht siegen,
    Die seidne Schnur verehrt – vereinigt liegen
    Des Molochs Opfer hier in ihrem Blute.
     
    Wie eine Ampel schwebt im düstern Dome,
    Hängt hoch ein Geier an der ernsten Wolke.
    Ein Pope steht bei diesem Todtenvolke,
    Sprengt darüber aus dem Weihgefäß Arome.
     
    Ein rohes Nothkreuz, wo der Berg sich lichtet,
    Ist eingerammt den dichten Leichenhügeln.
    Ein Crucifix der Pfaffe hier errichtet
    Als Vogelscheuche, Rabengier zu zügeln.
     
    Und Geier auch und Wölfe, wilde Hunde,
    Sie nahen rings zum Leichenkarnevale.
    Sie zehren all von unserem Verfalle.
    Der Luft und Erde Raubzeug steht im Bunde.
     
    Wer aber kann den inneren Wurm verscheuchen,
    Der schon im Leben heimlich an uns bohret?
    Fort, Unsinn, mit des Aberglaubens Bräuchen!
    Kein blauer Weihrauch-Dunst den Tod umfloret.
     
    Er grinst dich an aus Schädelpyramiden.
    Und lacht der Tod – was sollten wir nicht lachen
    Ob all den Nichtigkeiten, die im Frieden
    Das Glück und Elend unsers Lebens machen?
     
    O Krieg, du bist der Menschheit Dornenkrone.
    Durchzuckt von ewigen Wehen der Geburt,
    Geheftet an des Todes Eisengurt,
    Hängt sie am Kreuze gleich dem Gottessohne.
     
Die Hunnenschlacht.
    I.
     
    Ich träumte jüngst von einem wilden Walde,
    Voll alten Bäumen, die vom Sturm entlaubt,
    Der von Sibiriens Strömen niederschnaubt.
    Schon färbt der Herbst den Blätterschmuck der Halde.
    Matt klomm empor der Sonne Gluth,
    Sturm prophezeiend, roth wie Blut,
    Durch Nebel sie verdrossen kam,
    Wie ein Gefangner voller Scham,
    Ein Mörderaug' mit irrer Wuth
    Verstohlen lugt durch Kerkergitter.
    Es wälzte nahendes Gewitter
    Dicht übern nackten Boden dieser Steppen
    Die Wolkenschaaren hin, wie Riesenschlangen,
    Die sich von Ast zu Ast nun weiterschlangen,
    Wie Geister mit langwallend-blassen Schleppen.
    Der Regen schoß herab in schweren Bächen.
    Der schmerzlich-grüne Todtenfluß des Hades
    Schien sich zu wälzen durch die feuchten Flächen.
    Mir schnitt durchs Hirn das Drehn des Weltenrades,
    Schwerfällig knirschend über blutigen Leichen
    Von schwachen Völkern, überlebten Reichen.
     
    II.
     
    Und da ich also sann, da ballten sich
    Aus diesem Nebelmeere drei Gestalten
    Sie wuchsen auswärts ernst und feierlich.
    Den Ersten sah zu Roß ich vor mir halten,
    Wie er hinausstrebt einen Felsenstrich.
    Der ehrnen Stirne tödtlich düstre Falten,
    Das Wechsellose seines Blickes schien
    Durchbohrend mir die Seele zu zerspalten.
    Tartaren und Kosaken vor ihm knien
    Und all die heimischen Mongolenhorden.
    Die Schweden und die Türken vor ihm fliehn.
    Die ehrne Kiefer schnappt nach stetem Morden,
    Entsetzlich sträubt sich sein Gorgonenhaar –
    Er ist der Baal, des Molochs Bild im Norden,
    Ein unersättlich gieriger Barbar.
     
    Und wie einst Iwan that vor Nowgorod,
    So seine Kiefer knirschend sich bewegt,
    Als fräße unsre Welt sein Machtgebot,
    Die sich ihm hülflos selbst zu Füßen legt.
     
    Ich ward zu Stein. Doch Grausen mir durchraun
    Aufs neu die Adern, als ich vor mir da,
    Langsam herschleichend neben jenem Mann,
    Ein greises welkes Schemenwesen sah.
    Die Krallenhand sich hin nach Süden spreizt.
    Die Krim, das schwarze Meer, die Donau reizt.
    Nach Westen stürzt die geiergleiche Gier
    Und Polen's Kraft verblutet unter ihr.
    Ihr Kuß ist tödtlich wie des Vampyrs Biß,
    Des Nordens schreckliche Semiramis!
     
    Doch jetzt

Weitere Kostenlose Bücher