Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
genoß.
    Der Freiherr lächelte bitter.
    Das war ein Freiherr jeder Zoll,
    Ein Herr und auch ein Freier !
    O Judasküsse tückevoll
    Bei Deutschlands Freiheitsfeier!
    Europas Herz durchbohrt, verkauft
    Von lauernden falschen Beschirmern!
    Der Einheit Blüthe, mit Blut getauft,
    Zernagt von schmarotzenden Würmern!
     
    Das Herz schwoll mir vor Kummer an.
    Da sah ich Ihn auferstehen
    Aus der Gruft von Deutschlands Ehre – ein Mann,
    Fest von Haupt zu Zehen.
    Einen Flamberg hielt er vor sich stracks,
    Fest in den Stiefeln stand er.
    Den Trotz des Slaven- und Wälschenpacks
    Zertreten die miteinander.
    Er ist gar schreckbar anzuschaun,
    Gleich wie ein Götze der Wenden,
    Mit dem Wodanaug' unter düstern Braun
    Und immer das Schwert zu Händen.
     
    Und da er einen Blick nun warf
    Nach dem gährenden tobenden Osten,
    Scholl dort ein Lärmruf grell und scharf:
    »Laßt nicht die Waffen rosten!
    Was schwingen wir gegeneinander das Beil,
    Wie einstmals die Strelitzen?
    Für uns liegt dort das wahre Heil,
    Im Westen zu stibitzen.
    Den Deutschen Erbfeind in den Bann!
    Er ist der große Verschlinger.
    Er wuchs aus kriechender Ohnmacht an
    Zu einem Weltbezwinger.
    Entscheidungskämpfe schwer und scharf
    Erwarten euch, Teutonen.
    Denn nur das heilige Rußland darf
    Als Weltenherrin thronen.
    Stets weiter unsers Reichs Polyp
    Den ehrnen Fangarm dehnte.
    Siebirien rastlos vorwärts trieb,
    Bis sich's an China lehnte.
    Nach China gings vom Kaukasus!
    Von dort zum Himalaya!
    Am Ganges und am Bosporus
    Erwartet uns der Raja.
    Afghanen-Emir, Perser-Schah,
    Ihr werdet uns Vasallen!
    Am Donau-Ufer fern und nah
    Der Ukas Donner schallen.«
     
    IV.
     
    Sind das Lithauens unendliche Strecken?
    Ein Schlachtfeld sah ich in ahnendem Schrecken.
     
    Die Flamme beleuchtet im öden Raume
    Mit bläulichem phosphorartigem Schein
    Die reifen Früchte am Pflaumenbaume
    Und wandelt in Golddukaten die Birnen.
    Hoch über dem Feuer in stillem Verein
    Schweben die Raben mit finstern Stirnen,
    Wie schwarze Kreuze auf goldenem Grunde.
    Still wird es in der unendlichen Runde.
    Die Welt der Insekten brummt und summt,
    Das Zirpen der Heimchen nie verstummt.
    Das trockene Schilf als Wachtfeuer lodert.
    Der einsame Schwan, der sanfte Störer,
    Wie eine silberne Glocke fodert
    Gebet und Andacht von jedem Hörer.
    Und rauscht er empor zur nördlichen Fahrt,
    So wird er plötzlich, eh er's gewahrt,
    Von rosigsilbernem Licht übergossen.
    Und dann erscheint das Wolkengewimmel,
    Als flögen rothe Tücher am Himmel.
    Durchsichtige Lämmerwölkchen flossen
    Am Äther hin, rothgoldene Streifen
    Den blauen Horizont umreifen,
    Wie von einem Riesenpinsel gezogen.
    Die Zieselmäuse der Steppe pfeifen.
    Die Gräser, von frischer Brise gebogen,
    Rauschen zusammen wie Meereswogen.
    Die grüne jungfräuliche Oede strahlet,
    Dies goldiggrüne Meer sich bemalet
    Mit tausend Farben. Wollüstig badet
    Die Steppenmöve im Sonnenstrahl.
    Den Habicht zu reichlichem Raube ladet
    Die Musik des Tages im Steppenthal,
    Wo alle Würmer der Erde erwachen,
    Wo das Rebhuhn hinhuscht am feinen Stengel
    Der Weizenähre, wo aus den flachen
    Steppenstrecken, ein schüchterner Engel,
    Die hellblaue Kornblume sich erhebt
    Und pyramidenförmiger Ginster.
    Leuchtkäfer erblassen, der Schatten verschwebt,
    Hellgrün ist Alles, was schwarz und finster.
     
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Und dieses Land der Zukunft trug
    Des Deutschen Colonisten Pflug.
     
    »Hm, hm,« urtheilte der Rechtskundige, nachdem die Lectüre beendet, bedenklich. »Das steht schlimm. Zweifellos › Grober Unfug‹ ! Sehn Sie, der Paragraph wird jetzt so gedehnt nach Belieben, daß Sie ja ganz unrettbar verloren scheinen. Beleidigung verschiedener Zaren, speziell des verstorbenen, eines engbefreundeten Souverains – o, o! Und dann überhaupt die ganze aufreizende Tendenz! Dieser Haß gegen das engbefreundete Rußland! Ihre Dichtung ist geeignet, Zwietracht zwischen verbündeten Völkern zu schüren. Nein, lieber Herr, vom Standpunkt eines königlich preußischen Richters aus muß man Sie ja wegen, Groben Unfugs', begangen durch die Presse, verdammen. Kommen wir nun zu Punkt. Zwei!«
    Er las.
     

Messalina .
     
    I.
     
    O welch ein Wechsel! Neidische Fortuna, du
    Willst hemmen meinen sieggekrönten Frevellauf
    Und wähnst, statt Süßes müss' ich Herbes kosten nun?
    Doch hierin irrst du. Denn des Unglücks Aschenfrucht
    Schmeckt jetzt

Weitere Kostenlose Bücher