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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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erfrischend mir und gaumenreizend nur,
    Da ich der Hesperidenfrucht zu viel genoß.
    Und hat der Wechsel selbst nicht manches Reizende?
    Des Zufalls ungeahnte schlaue Wendungen,
    Das neue Ungewohnte, das Aufregende
    Der Furcht und Ahnung und der Hoffnung andrerseits,
    Der angestrengte Kampf um Leben und Besitz –
    All' dies ergötzt mich, wie ein fremdes Drama schier.
    Der Erdballs Herrin gestern, heut auf Tod verklagt,
    Gestern in sichrer Burg und heut im Haftgemach!
    Ha, Gestern: meines Lebens wonnevollster Tag!
     
    Wir feierten das Winzerfest im Bacchanal
    In süßer Raserei in des Vergnügens Arm,
    Mänadisch toll, wie in verschwiegner Mitternacht
    An Lesbos' Strand in Thraciens Kluft Trybadenschwarm
    Evoë-kreischend feiert lüsterne Mysterien.
    Wir aber tobten offen unterm Sonnenlicht.
    Die Kelternbäume knarrten und vom süßen Most
    Die Kufen überströmten. Frauen, nackt an Bauch und Brust,
    Vom Pantherfell umflattert ihre Schultern nur,
    Das ihre Lenden los umgürtet, tanzten rings.
    Und Allen ich voran, des Festes Königin,
    Ich der Mänaden Tollste und Verführendste,
    Cäsarin aller Lüste auf dem Weltenrund.
    Als Scepter, Zeichen meiner unumschränkten Macht,
    Den Thyrsus schwingend überm Haupt bacchantisch wild.
     
    Zur Seite mir, den Epheukranz im blonden Haar,
    Herwankend auf Kothurnen, einem Trunknen gleich,
    Im Chor der Zecher, er, mein Liebling Silius,
    Mein Buhle, mir auf offnem Forum angetraut,
    Mit dem die Hochzeit ich im Kaiserhaus beging
    Bei Lebzeit meines Schwachkopfgatten – hahaha!
    Doch mitten in der allerfrohsten Lustbarkeit
    Erklomm der Gäste Einer einen Palmenbaum
    Und als wir riefen: »He, was siehst da oben Du?«
    Schrie er voll Angst: »Gewitter naht von Ostia!«
    War's eine Ahnung, war's ein Scherz, weißsagend halb?
    Genug, einschlug es wie ein Blitzstrahl unter uns
    Und horch! Durchs Evoë der Gäste klirrte Stahl.
    Enteilend dem Verderben, auseinander stiebten wir,
    Doch rings umschlossen uns die Garden, mordgewohnt.
     
    Mein bärtiger stiernackiger Calpurnius
    Wird hier durchbohrt, dort Plautius, mein Herkules,
    Dort Bettius, mein lieblicher Narciß, dort windet sich
    Cäson, der feiste Zotenreißer, Lehrer aller Gräu'l
    Und Schüler aller Laster. Reizt uns niemals mehr
    Zu wieherndem Gelächter Dein gewagter Witz?
    Weh, Mnester, schonten sie nicht Deinen schlanken Bau,
    Der dem Caligula, dem Kenner , wohlgefiel?
    Ich ehre meines Vortyrannen Kunstgeschmack,
    Obwohl mein Blick für schöne Männer noch geübter ist:
    Drum, feiler Tänzer, übernahm ich Dich von ihm,
    Lustknabe einst des Cäsars, liebte die Cäsarin Dich.
    Haha, er sträubte sich, der vielerfahrne Frauenheld,
    Der Abentheuer fast für jedes Löckchen zählt:
    Er wußte, daß verhängnißvoll ich immer ward
    Für Jeden, den ich liebte. Widerstand er mir,
    Erreichte ihn mein Gift. Und lieferte er aus
    Sich meiner Gier, so räumte ich ihn selbst hinweg,
    Ward er mir lästig, oder meines Gatten Beil
    Traf seinen Nacken. Ha, er weigerte sich drum,
    Mein schlauer Mnester. Und was that ich? Holte mir
    Von meinem Ehe-Esel einen Staatsbefehl,
    Daß er mir ausgeliefert werde, sintemal
    Der Knecht nicht tanzen wolle auf der Fürstin Wunsch!
    Der Spröde tanzte nun, doch in viel feinrer Art.
    Auch er ward hingeschlachtet, mir zur Freude fast:
    So straft ihn das Geschick, weil er mich schmachten ließ.
    Doch Du – das war ein harter tiefempfundner Schlag,
    Auch Du, mein Silius, mein Pseudo-Ehgespons,
    Sankst hin zu meiner Seite pfeil- und speerdurchbohrt,
    Die blonden Locken mischten blutig sich dem Staub.
    Wann werd' ich wiederschaun Dein frisches Angesicht,
    Die Rosenflur, auf der mein Mund sich weidete?
    Nie lehn' ich schmachtend an der glatten Schulter mehr –
    Nein, Alles ist nun Raub und ekler Würmerfraß.
     
    Ich selbst entrann und schleppte durch den Markt mich hin
    Durchs halbe Rom. Zuletzt ich einen Karren fand,
    Den rief ich an und setzte mich als Fracht hinauf.
    So fuhr ich, die Cäsarin, in die Nacht hinein
    Wie ein erbärmlich Hökerweib. Und als ich mir
    Den Wagenlenker recht ins Auge faßte jetzt,
    Sieh da! So war's ein Wohlbekannter, doch von wo?
    Mit so unzähl'gen Männern pflog ich ja Verkehr!
    Bald brachte die Erinnrung mir sein Bild zurück:
    Ein ausgedienter Gladiator war der Bursch.
    Doch in Arena und Theater nicht mein Aug' ihn traf,
    Nein, in der nächtigen Taverne, jenem Lupanar,
    Wo als Lycisca selbst als Dirne ich gedient.
    Ha! süßer Dienst, nur war er mir nicht schwer genug.
    Denn

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