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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nicht mehr. Dein Geist enttauchte einem Orkan, dem Blitze gleich – Deine Wiege und Deine Gruft wird ewiger Nebel decken.
    Aufrecht standest Du in Deiner Rüstung in königlicher Einsamkeit, kein schwa ches menschliches Gefühl schlug unter Deinem Panzer. Du stiegest auf zur Größe ohne eitle Freude, Du fielest ohne Murren. Auf der Sinne hohle Reize blicktest Du kalt herab, ohne Lächeln und ohne Seufzer, und Dein Adlerflug maß die Welt mit einem einzigen Königsblick.
    Stirb denn inmitten Deines Ruhmes und löse Dein düstres Sein in die Atome – rein und rauh, wie Du geboren wurdest, ohne Laster und ohne Tugend. Deine Tugend war Dein Genie.
     

Zwölftes Buch.
     
I.
    Das »Deutsche Theater« war buchstäblich ausverkauft. Nicht nur das gesammte litterarische und das übliche Premièrenpublikum Neu-Jerusalems, sondern auch die Crême der »guten Gesellschaft« schien vollzählig erschienen. – – Rechts neben der Direktorloge, wo L'Arronge's freundlicher Vollmond erglänzte, operirte Frau Doktor Bergmann, Chefredaktrice der »Berliner Tagesstimme«, in Mitten ihres Großen Generalstabs, an der Seite ihres Leibadjutanten, des lockigen Apolloschwengels Emil Buttermann. Ah, die Thür der vollgepfropften Loge öffnete sich und unter den Salutirungen des Großen Generalstabs erschien Doktor Bergmann in eigener Person. Er hatte also einmal Europa sich selbst überlassen, um leutselig, wie große Männer pflegen, den leichten Spielen der Musen eine Stunde seiner unschätzbaren Zeit zu opfern. Hält doch Bergmann bekanntlich mit Bismarck das Europäische Gleichgewicht aufrecht. Der Reichskanzler zieht rechts, Er links. Bei dieser Atlasbürde scheint es denn kein Wunder, daß er seinen gewichtigen Corpus, den schweren homerischen Rindern gleich, wankend einherwälzt, so daß man immer fürchtet, er werde einem mit seinen Plattfüßen moralisch oder physisch auf den Fuß treten.
    Auch heute suchte er wieder Raum, dieser schnaubende Elephant. Wie dem seligen Napoleon schien Ihm Europa zu enge. Er mauschelte nach allen Himmelsgegenden mit Armen und Beinen, um der Freiheit eine Gasse zu brechen. Sein aufgedunsenes Antlitz, einem plattgetretenen Kuhfladen nicht unähnlich, strahlte vom Bewußtsein seiner Allmacht. O er ist ein graußer, ein sehr graußer Mann!
    Sein besonderes Steckenpferd, die Antisemiten-Suche, ritt er wieder mal chevaleresk wie Don Quixote seine Rozinante. Daher der forschende Blick, mit dem er seinen Generalstab musterte. Wie der Riese Polyphem in seiner Höhle tastete er überall an den Wänden seiner Redaktion herum, um den berühmten »Niemand«, einen Antisemiten, unter seiner eignen Hammelherde zu entdecken. Und wehe, wenn ihm solch ein räudiges Schaf zwischen die Finger kam! Dann verspeiste er es mit Haut und Haaren.
    Doch getrost, in König Arthus' Tafelrunde schien diesmal alles koscher. Lauter wulstige Lippen und Jatagan-Nasen. Da war Nathan der Weise mit den geschlitzten Augen, der den Kanzlerstab des mosaischen Zukunftsreichs im Tornister trägt. Da war Oskar der Gerechte, der flotte Schächter aller Dichterbabies. Und da war vor allem Er selbst, Israels Gründer, der Zertrümmerer des goldenen Kalbs, der neue Moses, der zum Gelobten Lande leitet, wo da Milch und Honig fleußt. Er schäkerte eben huldvoll mit Frau Doktor Bergmann, welche Lieder ohne Worte mit den Augen flötete, ebenso virtuos wie sie Lieder mit Worten am Klavier brüllt.
    Auch im Parkett versammelten sich die Zierden unsrer Kritik, von allen vier Winden hergeweht, wo nur deutsche Zunge klingt, selbst aus dem Lande der Mausefallenhändler. Die leichte Scheerenschleifer-Kavallerie der Preßpanduren formirte sich. Wieviel giftige Früchtchen, neidgrün angelaufen! Da gabs die rührigsten redactionellen Schaukelpferdchen, die mit schnalzendem Hopphopphopplala zwischen Autoren und Verlegern herumtraben. Manch vielgewandter Odysseus, der mit alten Hosen beide Hemisphären durchwandert, schwang kräftig das kritische Richtbeil. In einer Ecke des Saales bemerkte man die wundersamste Pflanze internationaler Bodenkultur: Theodosius Drollinger . Dieser bedeutende Mann war mal in Paris und begann daher seine Orakel unwandelbar mit dem ehrfurchterweckenden Ausspruch: »Als ich in Paris lebte.« Da Papa Augier ihn mal die Treppe 'runter geworfen hat, so ernannte er die Trias der französischen Bühnengötter zu seinen intimsten Duzfreunden in seinen Feuilletons. Er, den ein Augier auf die große Zehe getreten, fühlte sich natürlich,

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