Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
da schwindeln ihm schaudernd Herz und Hirn, da gleitet die Hand, da wankt das Knie, gelähmt von gräßlichem Grausen. Im Instinkt der Verzweiflung stürzt es hinab. So umgarnt an der Zweifel gähnendem Schlund den Nichtseinsinnenden grübelnden Geist entschlossene Verneinung des Willens. Bis willig halb, halb magisch gedrängt, halb sinkend, halb gestoßen, er rollt durch Wahnsinn-Nebel in Todesnacht: Todesfurcht versteckt sich im Selbstmord .
    Dieselbe Nacht, die den irdischen Zeus, den Alexander, dem Licht geschenkt, sah frech verbrennen den Herostrat der Ephesischen Artemis Tempel. Denn in der Moira dunklem Schooß, und in des Kronos waltender Hand und in des Kroniden Waage des Rechts da liegen vereint die Loose. Das weiße Loos und das schwarze Loos, das Sein und Nichtsein, Leben und Tod, und der Trieb zum Leben, die Schaffenslust, sich paart dem Lebensekel. Die Selbstvergötterung , welche gebiert der Dämon in der Erkorenen Brust, ist nahe der Selbstverachtung gesellt in der Verlorenen Seele. Dieselbe Hore, welche gebiert den schaffensmächtigen zeugenden Geist, den Welterbauer, als Zwilling nährt den zerstörungsfrohen Vernichter. Augustus, Trajan, Vespasian, aufs Neue erbauten nach Götterbeschluß, was niedergerissen nach Götterbeschluß im Reich die Juliersprossen. Welch winzige Spanne Zeit doch trennt vom Nero den Titus! Ja, noch mehr: in Titus' Seele selber lag der Drachen neben dem Lamme. Ein kurzer Augenblick entschied sein wahres Wesen und schied nun ab seiner Jugend Neronisches Element von der »Wonne des Menschengeschlechtes«. So liegt das Verderben dem Heil gepaart und das Leben dem Tode im Menschengeist, und Jeder erfüllt am Ende nur seine vorgebahnte Bestimmung .
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Je mehr Leonhart diesem Gedankengange folgte, desto deutlicher empfand er, bei Titus angelangt, den Begriff des Cäsarenwahnsinns, diesen Gottähnlichkeitsdünkel des Größenwahns. Wie vom Medium einer Vision inspirirt und selbst Medium geworden, fühlte er das Wesen Heliogabals in das seine hinüberrinnen. Ihm war, als spräche aus ihm selber die Seele des Götterwonnetrunkenen, zum Flammentode bereit.
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Mir bahnte den Pfad der erhabene Narr, wahnwitziger Wüstheit Meister mir, Caligula mit dem thierischen Blick der übermenschlichen Frevel. Auch der großdenkende Cäsar-Apoll, die Künstlerbestie, die zum Klang des eigenen Lyraklimperns schwamm auf goldner Barke im Tiber, lotternd auf purpurnem Thalamus, weißstirnige Buhlinnen rosenbekränzt schamlos zur Seite – also zu bewundern das brennende Rom, von lebenden Fackeln entzündet: Nazarenergewürm, ans Licht gezerrt aus Katakomben, gepfählt, erwürgt, aus Kreuz genagelt, verpicht mit Stroh, und mit Naphta sodann übergossen. Dies Schauspiel weckte ihm schauerlich-schön dithyrambische Stimmung. Anschaulich entrollt, studirte er so der Sinnenwelt schrecklichste Wonnen und Schrecken. Der Erkenntniß Aganippe er schlürfte in rinnenden Zähren, triefendem Blut. Im prächtigen Mordbrand suchte er den prometheischen Funken.
    Feinschmecker der Psyche, Lucull des Gefühls, wie sinnig verknüpfest Du so in eins die Elemente von Gier und Grau'n! Verschmelzung doppelten Schauders! Der Ueppigkeit süß entnervende Schauer mit markdurchrieselnder Ahnung der Furcht! Dir folgend, du Aristipp-Dionys, hab' ich herrlichen Tod mir ersonnen.
    Nur Schnee befreit ein erstarrtes Glied, nur Gluth erstickt der Genußsucht Gluth. Drum stürz' ich vom Lager verzehrender Lust ins Brautbett des Todes, die Flammen.
    Ichtys, der Fisch , ist der Christen Symbol, das meine der Salamander, der froh im Erdpech, vulkanischer Lavaschicht der Ur-Erregungen, wühlet.
    Man schlendert ins Feuer den Skorpion, dann bohrt er den Stachel ins eigne Hirn: So springt mein Ekel ins Bad des Tods, nicht lökend wider den Stachel.
    Als Kind in frischer Ursprünglichkeit, wo die Welt eine Fabel, ein Hirtenidyll, da fühlen wir den homerischen Trieb nachbildender Weltumfassung. Doch drängt die grausame Wirklichkeit sich unablässig in's Innere ein durch jeden Spalt der Sinne, so gährt im Hirn ein schauerlich Chaos.
    Mit Selbstverhöhnung beginnen wir, mit Selbstverachtung fahren wir fort und enden, die Ohnmacht des Einzelgeist's, das All zu empfinden, erkennend.
    Drum früh dies ahnend floh ich aus Furcht

Weitere Kostenlose Bücher