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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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er wußte selbst nicht wie, durchzuckt von gallischem Esprit. Auch hatte er plötzlich den Modedichter Kleist, 70 Jahre zu spät, entdeckt. Die Lebenden schwieg er todt, eben um einen neuen Kleist durch solch uneigennützige Unterstützung heranzuzüchten. Wenn der neue Kleist sich erst eine Kugel vor den Kopf schoß, dann wollte er ihn sofort als Klassiker »entdecken« und von den Todten auferwecken.
    Da saß nun Theodosius, diese Carrikatur eines Boulevardiers, die spärlichen Haare in die Stirn geklebt, um doch ja die neueste Mode der
jeunesse d'horreur
mitzumachen. Doch herrschte unter Kosmetikern über die bahnbrechende Technik seiner Frisur der gelinde Zweifel, ob er Pomade oder Zuckerwasser hierzu benutze.
    Sein maskenhaft-todter Ausdruck, sein stier gleichgültiger Blick, sollten ihn als vornehm zurückhaltenden Gentleman aufspielen. Allein, lächerlich reservirt und zugeknöpft, wenn er mit einem anständigen Menschen zu thun hatte, wurde er äußerst munter und zuvorkommend gegen lustige Dämchen, Spitzbuben und Streber. Sein Vorgänger in der Redaction hielt es aus Gewissenhaftigkeit für seine Redactionspflicht, auch die Gattin des Verlegers unter redactionelle Verantwortlichkeit zu nehmen. Theodosius ehrte pietätsvoll diesen fruchtbaren Redactionsusus, auf diese Weise die Vergangenheit angenehm mit der Gegenwart verknüpfend.

    Auch er war da, er mit der hackenden Habichtsnase und dem mangelnden Kinn, der große litterarische Todte, der einst die Irrlichter seines schnoddrigen Witzes über die öden Sumpfhaiden seiner heut schon antiquarisch verstaubten Salonstücke verschwenderisch ausstreute. Neben ihm saß ein geistreicher Pavian in großkarrirten Beinkleidern und weißer Weste, und rieb ihm zahllose Paradoxen unter die Nase, und zwar wörtlich, indem er ihm beinahe ins Gesicht sprang. Hinter diesem saß sein Schatten, natürlich ein Baron (denn wo ein Jude, ist auch immer ein Baron nahe). Sein Kater-Näschen und sein ganzes dummdreistes Kneifer-Gesichtchen näselte gleichsam lautlos. Einer jener Litteraturbarone (natürlich stand »Freiherr« groß und breit in Goldschrift auf der Thür seiner Wohnung), welche den ehrenfesten Aristokraten mimen, während der Kenner in ihnen sofort ein neidzerfressenes größenwahnsinniges Streberlein erkennt.
    Er erzählte grade in näselndem Ton, wie »Serenissimus sein gnädigster Herr« (einer jener kleinen Köter, kennt ihr meine Farben) ihm eine echte Havanna verehrt habe. »›Mein lieber Baron,‹ meinte der Gnädigste –« Er unterbrach sich, um mit Innigkeit die Gattin eines jüdischen Mache-Meisters zu begrüßen, wie er denn inbrünstig zu Unsrer Lieben Frau vom Jordan betete und mit Gottes Hülfe in den Salons »der geistigen Aristokratie des deutschen (jüdischen) Volkes« zu einer Berühmtheit emporgeschwindelt wurde. Was kann da sein! Man braucht einen Baron als Zimmer-Staffage. Das paßt dem auserwählten Volke in seinen Kram.
    Der Adel ist heut immer noch ein gutes Geschäft. Dies wußte ja Frau Hermine Schmidt, geborene v. Preuschen, zu würdigen, indem sie sich schlankweg »Baronin Preuschen« weiter fort titulirte. Und siehe da, es war sehr gut. Mit Enthusiasmus stürzten die jüdischen Federpiraten für sie ins Turnei, sintemal es denselben immer zur besonderen Ehre gereicht, einem Adelstitel unter die Arme zu greifen. Mit Entrüstung muß man jedoch die schnöde Verleumdung zurückweisen, daß all diese adligen Herrn und Damen eines enragirten Philo semitismus verdächtig seien. Sie benutzen eben nur die jüdische Presse ebenso schlau wie die conservative zu ihren durchsichtigen Reklamezwecken. Nein nein, man sitzt nicht immer mit einem Baron an einem Tisch; dies beglückt ja einen armen deutschen Schriftsteller. »College Baron X.« wird daher überall zum Vorsitzenden gewählt. Adel verbürgt Seelenadel, ein sehr gutes Geschäft.
    Beide spielten hier die Rolle des »Großen Galeotto«, indem sie über Krastinik eine Verleumdung, »einem
on dit
zu Folge« aussprengten.
    »Haben Sie dafür irgend einen Beweis?« fragte der Mann mit der Habichtsnase.
    »Nein, das grade nicht. Aber Beweise beweisen nichts!« grinste Doktor Emil Bengelheim mit seinem grotesken schadenfrohen Kichern. »Es liegt in der Luft. Man sagt.. ›
Relata refero,
ich bin selbst dabei gewesen‹ wie Commerzienrath Landau zu sagen pflegt. Hihi!«
    »
El gran Galeotto!
« – –
    In einer Mittelloge thronte die holde Modelöwin Hagar Satzler in weißem Unschuldgewande, ihren

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