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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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genommen, freilich ein Ende mit Schrecken. Mag der Geist des seligen Dichters noch so wuchtig mit dem Tölke'schen Knüppel drohen: Wer dies Buch nicht lobt, fühlt sich von ihm getroffen – mag ihm als Motto seines Strebens der alte Vers vorgeschwebt haben: Was kann Genie? das stirbt, eh man's begriffen, verkannt, verlästert, ausgepfiffen, – wir können nur achselzuckend dies hohle Machwerk einer kindischen Selbstanbetung bei Seite werfen. Trefflich urtheilt unser schneidiger Waffengänger Rafael Haubitz: ›Es fehlte eben Leonhart an einer ausgeprägten Physiognomie.‹
De mortius nil nisi bene.
Fesselte nicht diese Erwägung unsre Feder, wir möchten dieselbe wohl viel schärfer gespitzt haben. – Zum Schluß nur noch eine ruhige Frage, welche den ganzen Dunst des lächerlichen Todtentanzes einer schwindelhaften Dichtergrab-Bewunderung zerbläst: was hat Leonhart unter all seinen zahlreichen Schreibereien, speciell seinen Dramen, denn je geschaffen, was an Größe der Conception und Schönheit der Ausführung auch nur entfernt sich messen kann mit dem wundervollen Drama Graf Xaver Krastiniks, unseres neuerstandenen großen Dichters? Schlägt ›Die Meeresbraut‹ nicht alle verfehlten Versuche jenes Stürmers und Drängers um zwanzig Pferdelängen? Nicht umsonst erlebte ›Die Meeresbraut‹ jetzt schon die dreißigste Aufführung binnen so kurzer Frist, unerhört im ›Deutschen Theater‹. Dorthin gehe man, um zu schauen, was wahre Dichtkunst bedeutet! Leonhart war höchstens ein Vorläufer des genialen Grafen Xaver von Krastinik.«
    Krastinik ballte das Zeitungsblatt mit der Faust zusammen und warf es zerknüllt zu Boden. O öffentliche Meinung des bedruckten Zeitungspapiers, du bist geduldig. Vorläufer, ja wohl! Wagte nicht auch Webster in der Vorrede seiner »Vittoria Corombona« vier Jahre vor Shakespeares Tode den größten Genius aller Zeiten in einem Athem zu nennen mit dem Akademiker Ben Jonson und den adligen Theatralikern Beaumont-Fletcher, ja sogar mit Eintagsfliegen wie Chapman, Dekker und Haywood, die heut kaum der Literarhistoriker beachtet! »Schließlich, doch ohne ihn durch diese letzte Nennung beleidigen zu wollen« nennt der gute Mann als seinen Vorläufer auch noch den gottähnlichen Ewigkeitsmenschen. Eine Posse von tiefbedeutsamer Mahnung. Jaja, Gegengewicht muß sein; gegen drohendes Uebergewicht imaginäre Werthe ausspielen –
vive l'Egalité!
    Und hier bei diesem Fall, wo durch die überwältigende zerschmetternde Ironie des Zufalls einmal die plumpe Gehässigkeit der Beschränktheit offenbar werden konnte, wo die Aufdeckung der Wahrheit – – Krastinik schauderte in sich zusammen. Er preßte die Hände vors Gesicht, wie um die Welt nicht zu sehn oder vielmehr sich vor ihr zu verstecken.
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    Wahrhaft hochherzig und von dem sittlichen Pathos der Wahrheit durchdröhnt, klang der Nekrolog, welchen Hans Holbach seinem Freunde in der »Berliner Tagesstimme« zu widmen wagte. Mochte im Leben diese Freundschaft nur eine äußerliche Schauspielerei gewesen sein, mochte der tiefe Zwiespalt beider Naturen sie einander innerlich entfremdet haben, – der Tod gleicht alle Gegensätze aus. Jetzt balancirte Holbach nicht mehr, dem Vortheil der Weltberechnung gehorchend – der Tod veredelt. Und so tönte die Stimme seiner eigentlichen chevaleresken Natur, seines warmen und gütigen Herzens, aus den Worten:
    »Unter dein vielen Erbärmlichen des Weltgetriebes giebt es ein Erbärmlichstes: den Schriftstellerneid . Diesem zumeist fiel Leonhart zum Opfer, während er neidlos alles Tüchtige anerkannte. Nachdem sie sein Genie von allen Seiten benörgelt (hier erwarben sich viele Moralprediger ein besonderes Verdienst, ihm, dem wirklich Moralischen gegenüber), begannen seine Collegen auch seinen Charakter in den Staub zu ziehen, indem sie seine Handlungen entstellten, seine Motive unlauter verdrehten, seine Ausschreitungen übertrieben. Nun lehrt zwar ein Blick aus die ungeheure Produktivität des jungen Dichters, daß er lediglich seinen idealen Zielen gelebt haben könne und daher alle Sagen über sein sonstiges Verhalten ins Reich der Mythe gehören. Wären aber seine Fehler so offenkundig wie die Erhabenheit seiner Dichtungen – wer wäre berufen, darüber zu richten? Doch gegen diese Art giftspritzender Hinterlist bleibt der Edelste und der Stärkste ohnmächtig. Forschen wir aber

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