Größenwahn
nach den Gründen dieser Niedertracht, so finden wir überall den gleichen: den Neid der Impotenz gegen das Genie, den Größenwahn der Kleinen gegenüber der wahren Größe. Verzeiht doch die kleinliche Selbstsucht der Mittelmäßigkeit nie die berechtigte Selbstsucht des Berufenen, weil ihre jämmerliche Eitelkeit sich verletzt fühlt! Dabei bedenke man, daß dieser Ewigkeitsmensch keineswegs etwa wie Byron den weltlichen Rang eines Lords trug, was doch nun einmal auf die Welt ganz anders wirkt, als der Rang eines großen Dichters! Man male sich Byrons Leben aus, wenn er zufällig als ein armer deutscher Poet geboren wäre – welch ein Abgrund stummen Leidens öffnet sich da der Phantasie! Und ein solches Leben ewiger seelischer Tortur in verzweifeltem Kampf gegen die Uebermacht des Weltmaterialismus, von widrigen Verhältnissen eingeschnürt, hat Friedrich Leonhart durchkostet.
Zweifellos war Leonhart kein makelloser Heiliger. Doch war sein Herz großmüthig und edel. Seine Verachtung alles Niedrigen und Kleinen entsprang seinem innersten Wesen, in dem nichts gemein und knechtisch. Quälte ihn vermeinte Unbill, die ihn zu thun zwang was er lange bereute, – viele wissen, daß sich ihm auf schwachem Grunde feste Dankbarkeit erbaute. Der Zug verzweifelter Angriffswuth aus tiefer seelischer Verbitterung, der ihn kennzeichnete, ging nicht aus äußerlichen und selbstischen Motiven hervor. Er kämpfte immerzu, heut mit der ganzen Welt, morgen aber auch mit sich selber. Denn der eigentliche Kern einer solchen Heldennatur basirt auf Tugendliebe und Pflichtgefühl, trotz einzelner Schlacken und Flecken. Wäre er mit jenen äußeren Vorzügen geboren worden, die in der Welt allein Erfolg verbürgen, mit Gesundheit, Schönheit, Rang und Vermögen so hätte das reiche Wohlwollen seines Gemüthes sich zu, vollkommener Idealität entfaltet. So aber, eine stete Zielscheibe für die Gehässigkeit neidischer Dummheit, wurden die häßlicheren Seiten seines Charakters von Jugend an genährt Jeder Eindruck warf sich auf ihn mit so intensiver Gewalt, daß zugleich alle Geistesstärke und alle Charakterschwäche hervorgelockt wurden. Die Fehler Leonharts stammten weder aus Entartung des Herzens – denn die Natur hatte nicht den Widerspruch begangen, so außerordentliches Talent mit einem unvollkommenen moralischen Sinn zu verbinden – noch aus Gefühlen, unempfänglich für Bewunderung der Tugend. Niemand hatte ein wärmeres Herz für Sympathie, eine offenere Hand für Unterstützung des Unglücks. Kein Geist war besser geformt für enthusiastische Verehrung edler Thaten, vorausgesetzt, daß er überzeugt war, man habe wirklich selbstlos gehandelt. Vorstellungen eines Freundes, dessen guter Absicht er sicher, hatten oft bei ihm großes Gewicht; freilich durften Wenige eine so schwierige Aufgabe sich herausnehmen. Mahnung ertrug er mit Ungeduld, Tadel verhärtete ihn in seiner Verirrung, – so daß er oft dem feurigen Streitroß glich, das sich wüthend in die Lanzen stürzt. In den schmerzlichen Krisen seines litterarischen Lebens bewies er diese Reizbarkeit in solchem Grade, daß er fast dem edlen Opfer des Stiergefechtes glich, das mehr die Neckereien der Hetzerhorde, als die Stiche des kühneren Matadors zum Rasen bringen.
Aber der Allgerechte, welcher menschliche Schuld nach ihrem wahren Werthe in seiner Schale wägt, wird jeden dieser vergifteten Nadelstiche wie einen Geistesmord verdammen. Schwerer wiegt jede Stunde, die man dem Dichter raubte und die einen Verlust für die Menschheit bedeutet, als das gesammte werthlose Leben seiner Hetzer und ihrer fadenscheinigen Moral.«
Das waren goldene Worte, echt und warm aus schlagendem Herzen geboren. Ja, der Tod ist heilig, er ist ruhig und still. Den Todten zieht man nicht mehr freundlich die Würmer aus der Nase oder tastet an ihnen herum, um die Naht zu finden, aus der man irgend einen Vortheil herausschlitzen kann. So pflegen wir Umgang mit den Lebenden, die Todten aber verbitten sich das. Der Tod ist heilig.
Doktor Gotthold Ephraim Wurb schrieb im »Bunten-Allerlei« über die
Oeuvres posthumes
dieses neuernannten Litteraturkönigs:
»Sein hinterlassenes erhabenes Meisterwerk zeigt uns, welch unvergleichlich große elementare Dichterkraft in Friedrich Leonhart uns frühzeitig dahingerafft wurde. Mit Stolz weisen wir daran hin, daß wir es waren, die zuerst dieses Urgenie entdeckten, wie so oft schon die Redaktion des ›Bunten Allerlei‹ von sich rühmen durfte.
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