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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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durch die Gesellschaft heuchlerischer Banditen
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Edelmann und Haubitz mit dem Gift eines allgemeinen Mißtrauens inficirt sei, weil er alle andern Menschen nur als elende Selbstlinge kennen lernte. Dies nur habe ihn nicht voll würdigen lassen, was Rother stets für ihn gethan. Seither sei er älter und männlicher geworden, und wisse jetzt, was in dieser kalten gemeinen Welt ein warmes Freundesherz bedeute. Jetzt sei er sich seiner Nichtigkeit und Zwergheit bewußt – seiner moralischen Inferiorität einem Rother, seiner geistigen einem Leonhart gegenüber. Von dem lächerlichen Größenwahn, der ihn dämonisch verzehrt habe, sei er curirt. Den »Schwur des Hannibal« in der Hand, am Grabe dieser großen Seelen, welche der Weltroheit nicht zu widerstehen vermochten, habe er sich zugeschworen, jedem eiteln Ehrgeiz zu entsagen. Wo solche Menschen untergehen mußten, da lohne es sich grade, den Beifall der gemeinen Herde zu erschwindeln und um den feilen Odem des Pöbels zu buhlen. –
    So hatte der Tod mit seinem ernsten Seherblick eine schon erblindete Seele erhellt. Der edle Grundstoff und der ideale Instinkt einer schon verschlammten krankhaften Wesensart wurde emporgerüttelt, so wie ein jäher Schreck das Wechselfieber vertreibt. –
    Max Henkelkrug veröffentlichte in Separat-Abzug bei Schabelitz (Zürich) eine hochtrabende Rhapsodie in Bänkelsängerformat:
     
Ein sociales Nachtstück.
    Der Dichter der ist todt.
    Verscharrt ist sein Gebein,
    An seinem Grab ein Rabe droht,
    Kreischt »Mord« ins Land hinein.
    Der Afterdichter rührte stolz
    Die Saiten vorm horchenden Volke.
    Da plötzlich sprang der Harfe Holz
    Und die Saite barst in Stücke.
    Von des Regenbogens Brücke
    Erklang es aus der Wolke:
     
    »Der Wicht, der mich erschlug,
    Hier seine Strafe fand.
    Des Meisters Harfe nie ertrug
    Des Ungeweihten Hand.
    Wer hat zum Skalden Dich bestimmt,
    Geboren und auserkoren?
    Odin, der Skaldengott ergrimmt,
    Geschworen ist Dein Verderben.
    Denn Thoren sollen nicht erben
    Den Ruhm, den Weise verloren.«
     
    Die Auferstehung der Todten ist eine schöne Sache. Jetzt war jeder Philister, der sich auf seinen Wollsäcken wälzt, freudig bereit, sein Licht auf den Scheffel zu stellen und seinen Idealismus in wohlschmeckenden Festessen zu Ehren eines halb verhungerten Dichters leuchten zu lassen. Wenn man nur durch Heiligsprechung der Todten den Lebenden ihre Rechte verkümmern kann, dann sind wir allemal diejenigen, welche. Freilich kostet es ja auch weniger, je einen Penny für ein Grabmonument beizusteuern, als ein Pfund zu einer Subscription auf ein zu schaffendes Werk. Statuen dienen zur Verschönerung der öffentlichen Plätze, und zur Drucklegung patriotischer Prospekte, besonders zur Ordensempfehlung des Gemeinderaths. Wenn heut ein Geist herniederstiege, er würde dazu nur rufen: Unsinn, Du siegst und ich muß untergehen.
    Doch fehlte es natürlich auch nicht an dissentirenden Stimmen. Denn Haß und Neid überleben selbst den Tod. So schrieb Peter v. Schnapphahnitzkoi in der »Kreuz- und Schwertzeitung«:
    »Als wir den hochtrabenden Titel lasen und von dem Inhalt des Buches hörten, befiel uns abergläubische Furcht. Wie, der Kampf mit dem Drachen? Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp? Der Knapp' wagt es und Herr Leonhart taucht in den Schlund – der lernäischen Hyder an der Spree. Zu solcher Schandthat sollte man sich erst aufschwingen, sobald man die Blöße des Gegners entdeckt hat. Aengstlich von Natur, stoßen auch wir nur in solchem Falle zu. Aber ach, solche Kraftleistung kann uns nicht in diesem Falle erschlaffen, denn der verewigte Dichter bietet ja dem Messer der Kritik selbst überall die Kehle dar. Er nestelt sich, wie eine kleine Brigg der ›Wasser-Geusen‹ an eine schwerfällige spanische Gallione; wie ein Torpedoboot an ein Linienschiff alter Holzconstruction, an die bestehende Gesellschaftsordnung an und wundert sich, wenn ihn diese in den Grund bohrt. Er schmeißt seiner spröden Feindin, der bösen Welt, faustdicke Grobheiten ins Gesicht und wundert sich, wenn sie diesem Liebeswinke widersteht. Mein Gott, was kann da sein! Leonhart war ein kecker verschlagener Husar, der sich in Vorpostenschaarmützeln herumhieb, so daß gewiß irgend ein Feldherr, der oben auf dem Berg seine Batterieen ordnet, an ihm seine helle Freude gehabt hätte. Nur muß der mehrfach dekorirte Rittmeister nicht
urbi et orbi
verkünden, er habe schon selbstständig commandirt und Schlachten gewonnen; dann wird er

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