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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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schwatzte dies Völkchen von »Größenwahn«, wenn tiefbeleidigtes Gerechtigkeitsgefühl sich gegen schnöde Verkennung und den eiteln Wahn der Modefexen empörte. Hier mochten die Worte der Schrift gelten: Sie haben Ohren, um zu hören, und hören nicht; sie haben Augen, um zu sehen, und sehen nicht.
    Wer als Einer unter Myriaden stets die Sache und nie die Person im Auge behält, muß der Selbstübervortheilte bleiben, auf dessen Kosten sich alle Ohrwürmer mästen. Darum bildet den rechten Grundstein einer geregelten litterarischen »Carriére« die einfache Nützlichkeitslehre der Bismarckschen Diplomatie: »
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«. Um die wahre Bedeutung und derlei Allotria mag sich die Nachwelt kümmern. Nachruhm! Leichen kann man nicht mehr füttern.
    Die gefährlichste und verletzbarste Eitelkeit stellt nicht das eigene Selbstgefühl dar, sondern die Eitelkeit für einen Anderen z.B. der Mutter für ihren Sohn. Der wahre Dichter aber fühlt für seine Dichtung wie für ein Kind, das er gebar. Während der Dichterling immer nur sich selbst persönlich getroffen fühlt, wenn man seine Dichterei heruntersetzt, kränkt den Dichter ein ganz unpersönlicher unselbstischer Schmerz, wenn er sein Dichtungskind, dies von ihm losgelöste selbständige Wesen, von der kalten böswilligen Welt verstoßen und besudelt sieht.
    An diesem Schmerz, der insofern komisch wirkt, als er sich Niemandem als unselbstisch begreiflich machen kann, ging der unglückliche Dichter langsam zu Grunde. Er faßte sich fortwährend gleichsam literarhistorisch auf und grübelte über seine Eigenart nach, als gelte es einen posthumen Essai für die Nachwelt zu schreiben. Andrerseits steigerte sich bei ihm die Unmöglichkeit, die tausend Theilsächelchen des Lebens zu berücksichtigen.
    Wie oft werfen nicht beschränkte mittelmäßige Köpfe einem Kraftgeiste, der, von rastlosem Thatendrang dämonisch fortgerissen, immer nur das Ganze , nie die Theile bedenkt, haltlose Unruhe, unzeitigen Starrsinn, Widersprüche vor, während nur ihre eigene Mittelmäßigkeit sie auf der gewohnten Bahn des ebenmäßigen Vorwärtstappens erhält!
    Schritt für Schritt sah man die tückische Nervenkrankheit hier vorrücken, welche den Unglücklichen in seiner Verbitterungs-Manie dem Wahnsinn und dem Selbstmord entgegentrieb. Er suchte gleichsam alle Abgründe auf und secirte sich und seine Nebenmenschen bei lebendigem Leibe. Der letzte Theil des Tagebuchs, in dem Monat vor seinem Tode geschrieben, enthüllte dies so recht.
     

 
    Welch ein köstlicher Kerl ist doch College X.! Der sagt von Jedem, sei er auch der erwiesenste Schuft: »Alles was recht ist! Ein anständiger Mensch!« Nur nie Farbe bekennen, nur leise treten, nur ja mit Jedem sich gut halten!
    Alle sind sie Macher, alle. Sie theilen sich nur in geschickte Mach er und in ungeschickte. Da liegt der ganze Unterschied. Mit ironischem Lächeln gehe ich stets auf ihre eigene Weltanschauung ein und hebe meine Sprüche an: »Wir sind ja unter uns, mit Wasser kochen wir ja alle.« Und die Kerls merken nicht einmal, daß ich mich über sie lustig mache.
    Das sind noch die Ehrlichen. Nur wenn Einer von seinen »idealen Zielen« zu schwindeln anfängt, dann mache ich mich schleunig aus dem Staube oder halte meine Taschen zu. Gott, wie sie doch alle das Selbstbelügen verstehn! Und ich armer Hülfloser, der ich nie meine Gesinnung verstecken kann, nicht mal vor mir selber!
    Ich freue mich immer, wenn ich mit Offizieren zusammentreffen. Hier herrscht wenigstens Disciplin, Unterordnung unter den höheren Rang, Aufgehen in das Ganze. Hier steckt eine greifbare Realität . Diese Kunst-Proletarier und Geist-Handwerker sind hohle Schemen, Blasebälge, Etiketten von leeren Flaschen. Diese Kerle würden ihren Vater todtschlagen und ihre Mutter verkaufen, wenn sie ihren nimmersatten Ehrgeiz damit stopfen könnten. Sie leiden an einer Art Auszehrung selbstverzehrenden Größenwahns. Sie zehren gleichsam von ihrem lieben Ich und nagen sich selbst das geistige Fleisch von den Knochen. Redet man von Dingen, die grade nicht ihr persönliches Interesse tangiren, so gerathen sie in Geistesabwesenheit und pfeifen »Ach du lieber Augustin, alles ist weg.« Ein ewiges Fieber wahnsinniger Vordrängungs-Gier jagt sie hin und her. Diese Umwechsler geistiger Münzen spekuliren andauernd nach dem Courszettel der Erfolgbörse auf Hausse und Baisse. Viele dieser literarischen oder künstlerischen Börsianer müßten lebenslänglich Zuchthaus

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