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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Afrits und Gouls die verbotenen Schätze Istakars bewachen, wo Schätze verbotenen Wissens und verborgener Schönheit auf den Finder harren; wo die verzauberten Ruinen Tschilminars den Wanderer fragen: Werden wir jemals neu erstehn? Düstere Sykomoren rauschen, gleich den schwarzen Reichsstandarten des Kalifen. Grüne Triften dehnen sich, wie die grüne Glaubensfahne des Propheten, entlang der blauen Stromkrümmung, welche vergoldete Barken durchgleiten, wie auf Damascenerklingen goldne Koran-Devisen sich kreuzen. Dort möcht' ich schlürfen Kischmi's goldigen Wein und Sorbet aus dem Saft des Tamarindenmarkes. Und wie an Arabiens Vorgebirg Babelmandeb die Schiffer Kokusnüsse und Negacesara-Blüthen in die Brandung schleudern, um sie zu versöhnen, so sollten sanfte Lieder mein stürmisches Herz besänftigen. Wie die Morgenländerin auf die Fluthen des Ganges ihre Lampe setzt, nur zu erforschen ob ihr Liebster lebe, – so würde auf wirbelnder Lebensflut meine Hoffnung leuchten, daß ich lebe im Leben meines Gesanges.
    Ja, so würde – – und wie ist es! O großer Ahnherr, durch dessen Seele die Riesenleiden des Nibelungenlieds geschritten, tausendfach glücklicher warest doch Du, denn ich.
    Nicht in der Wüste des gelobten Landes, in der Wüste dieser erbärmlichen Zeit, eingepfercht mit den Litteratenplebejern dieser Öffentlichen Meinung, verschmachte ich hier ohne Oase und Quelle. Ich, jeder Zoll ein Sänger – ein geistiger Kosmos, eingeschnürt in schwachen Leib und kleinliche Verhältnisse, wie ein Löwe in eine Hundehütte – – zu versinken in ekeln Morast, in die Schlangengrube hinabgeworfen zu niederm Gewürm, – ich, der Ritter und Fürst, geblendet und in Banden, erschlagen von niedrig geborenen Knechten – – o bitter, bitter, bitter!
     
    Nicht mal hier waltet Gerechtigkeit. Die Gelehrtenschnüffeler construiren sich ein sogenanntes Volksepos zurecht und ahnen in ihrer blöden Blindheit nicht die einheitliche Kunstverständigkeit des größten Dichters! Das großartigste und vollendetste Kunstwerk aller Zeiten, der ewige Stolz deutscher Nation, wird von einem frechen Schulmeister in Ottave Rime übertragen, sintemal die herrliche Nibelungenstrophe, ungenießbar sei! Ein Mann, Namens Jordan, rhapsodet umher, soweit die deutsche Zunge klingt (sogar in Siebenbürgen trieb er sein Unwesen), mit einem Stabreim-Monstrum, worin er durch modern krankhafte Makarterei und Schopenhauersche Philosophie an der ungefügen Urmär dreiste Nothzucht verübte! Ein Anstreicher, dessen Maurerpinsel mit grellen Farben die keuschen Marmorstatuen erhabener Einfachheit besudelt! Es sei ja stofflich recht großartig, aber kindlich ausgeführt, – schmunzelt dieser wohlgenährte Salonbarde in weißer Halsbinde und die unwissende Menge betet das gläubig nach!
    In gelahrten Litteraturgeschichten wird die Gudrun, ein jütischer Dünen-Knick, mit dem Nibelungen-Montblanc verglichen!
    O geschmacklose Thorheit, dein Name ist Mensch!
     
    Grabbe grinst in seinem Satirspiel »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung«:
    »Die Wörter ›genial, sinnig, gemüthlich, trefflich‹ werden so ungeheuer gemißbraucht, daß ich schon die Zeit sehe, wo man, um einen entsprungenen Zuchthauscandidaten zu infamiren, an den Galgen schlägt: N.N. ist gemüthlich, sinnig, trefflich und genial! – O stände doch endlich ein gewaltiger Genius auf, der, mit göttlicher Stärke von Haupt zu Fuß gepanzert, sich des deutschen Parnasses annähme und das Gesindel in die Sümpfe zurücktriebe, aus welchen es hervorgekrochen ist!«
    Hat dieser Ausfall nicht noch heute Geltung? O viel mehr sogar! Wenn man die Reklamen der Buchhändler und der Blätter liest, wird einem übel. »Endlich einmal ein Meisterwerk!« annonciren sie das Produkt irgend eines Sudelmännleins. Und der Verleger-Größenwahn, welcher am liebsten eine ganze Rotte von Genies in seinem Verlag aus dem Boden stampfen möchte, läßt die Macher über sich selber Prospekte schreiben, worin sie ihre leidlich gelungenen Werkchen zu den »höchsten Darstellungen der Weltlitteratur« rechnen und zwar »unstreitig«. Da giebt es »Charaktere von wahrhaft Shakespearischer Tiefe«, »Effekte wie kaum in Schillers Dramen« – – kurz und gut Kunststücke, neben denen »die besten andern Schilderungen prosaisch, ja alltäglich erscheinen«!! Ueberall, wo man hinhorcht, dasselbe Lied. »Bewunderungswürdige Kunst der Darstellung« »der geniale Verfasser« – derlei regnet nur so bei

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