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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Bildungs-Hauswurstiaden aus überlegener Höhe verhöhnte. Als Jüngling die geckenhafte Unreife halbwüchsiger Krafthuber um sich her, über sich die Weisheit wohlpatentirter Weltautoritäten, die seine hohe Ueberlegenheit ebenso durchschaute. Als Mann um sich her die Rotte der Streber und Aftertalente, über sich immer noch die hohlen Gesetze der bestehenden Gesellschaft, die er verachtete. Immer, wachsend mit den Jahren, weit voraus und weit über den momentanen Dingen, also stets entfernt von dem Verständniß der Mitwelt. Allerdings kam es ihm zu Statten, daß er stets und immer das Ziel fest vor Augen hielt, sich zum Dichter auszubilden. Mit beispielloser eiserner Zähigkeit, die in ihm den echtpreußischen Berliner kennzeichnete, ließ er nie auch nur einen Augenblick sein Arbeitsstreben los. Die grünen Jungen, die über ihn salbaderten, wären vielleicht mit staunender Ehrerbietung scheu bei Seite gewichen, hätten sie, je klar anschaulich dies bewunderungswürdige System vor Augen gehabt, wo Fuge in Fuge griff, wo sich die frühsten Anfänge der Knabenjahre mit fünfzehn späteren Arbeitsjahren innerlich verknüpften. Das Räthsel seiner »überreizten Fruchtbarkeit« löste sich freilich dann sehr klar. Ausgestattet mit einem erstaunlichen Gedächtniß, ohne Gleichen an Arbeitslust und vor allem an Ordnungssinn , einem Hauptattribut des Genies, thürmte er unablässig das schwindelnd hohe Gebäude seines umfassenden Geisteslebens Stein auf Stein. Eigentlich war und blieb er stets gleich groß . Seine Jugendgedichte und Jugenddramen in einem Alter, wo man sich höchstens für »Räuber und Indianer« und Coopers Lederstrumpf erwärmt, mußten geradezu unglaublich genannt werden. Die historischen Essais in seinem Schubfach gab er später zur Zeit seines Glanzes als neuste Beiträge heraus, ohne daß Jemand ahnte, der dreizehnjährige Leonhart rede zu ihm!
    Alles war hier anders als bei den Durchschnittstalenten. Ein solches, wie etwa der überfruchtbare Paul Heyse, spielert wohl als Primaner reizend geleckte Nippsächelchen und Märchen zurecht, um sich darob als junger Goethe bestaunen zu lassen. Aber gerade das, womit man der albernen Welt sofort imponirt, die gefällige Form , mangelte diesem wahren Genie, wie jedem Großbeanlagten, anfänglich vollkommen. Wenn er sich quälte, lyrische Liedchen nach bekanntem Muster zu pfeifen, mißlangen sie gänzlich. Von der Großartigkeit seiner gedanklichen. Conception verstand natürlich ein zum Urteil herangezogener Kunsthandwerker ebensowenig, wie von der unabgeklärten, aber genialen Gestaltungskraft seiner Charakteristik. Es wäre ein Glück für ihn gewesen, wenn er wie so mancher Dilettant, auf eigene Kosten seine Jugendsachen wenigstens mit sechszehn Jahren hätte publizieren können. Denn in diesen stak wenigstens der wirkliche ganze Leonhart, der halbflügge Genius, so daß alles Philistergenörgele immerhin hätte zugestehen müssen, für einen Knaben seien diese Versuche einfach unerhört. Aber so gut wurde es ihm nicht. Niemand verstand das Bahnbrechende in diesen seltsam bizarren Sachen und so überwand er sich denn endlich, etwas »Liebliches« zu fabriziren, um einen Verleger zu finden.
    Mit der Publikation dieses minniglichen Opus (er zählte mittlerweile achtzehn Jahre) begann nun die endlose Aergerkette seiner öffentlichen Laufbahn. Die Einzelheiten, welche er als besondere Tabelle gebucht hatte, wirkten allerdings vernichtend für die gänzliche Unfähigkeit der »Kritik«, das Ungewöhnliche zu begreifen, und der stumpf apathischen Welt, Perlen statt ihrer Trog-Kartoffeln zu verdauen.
    Immer und immer wieder sah er in sich das Sein im Bettlergewand, um sich her den Schein im Galakleid. Wohl mochte er rufen mit dem größten aller Dichter: »Müd alles Dessen schrie ich nach ruhevollem Tode. Zu sehn, wie wahre Kraft von hinkender Schwäche entwaffnet, wie der Kunst die Zunge gefesselt von falscher Autorität, wie Narrheit als Doktor die Weisheit curirt.«
    Nun ja, das alles mochte wohl als wahr gelten, vom Standpunkt der äußeren Gerechtigkeit. Aber liegt nur hierin die immanente Gerechtigkeit der Dinge, von der Gambetta sprach? Bleibt nicht der Werth und das Ideale in sich selbst Sieger ?
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    An einsam moosigem Gestein verträumte der Müde den Abend. Wie die Sonne wild verblutete! Ueberm Meer ein Flammenmeer. Ein Scharlachbaldachin

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