Größenwahn
untereinander zerreißen. Erreichen diese Gallenergießungen nicht manchmal einen Grad, der bereits anfängt, dem albernen Lallen des Irrsinns zu ähneln? Pathologisch gesprochen, rumort der Wahnsinn in dieser Menschenverachtung, die in letzter Instanz unbändigem Größenwahn entspringt. Indem ein solcher Halbgott die Menschen wie aufzuspießende Insekten angrinst, wird er selber ein Halbthier .
Schnellt der grauenhafte Wuthschrei einer aus Rand und Band gerathenen Weltverzweiflung nicht auf ihn selber zurück? Hört man in diesem gräßlichen Gelächter nicht den Widerhall des eigenen bosheitgetränkten Gemüthes?
Unablässig geheizt von dem Brand eines grenzenlosen Hasses und dennoch von gleichmäßiger kaltblütiger Härte, arbeitete diese Denkmaschine rastlos fort. Doch glich ja die in Leonhart kochende Bitterkeit gar wenig dem kannibalischen Gebelfer eines Schmoller, dessen wuthschäumender Biß vergiftete wie der eines tollen Hundes Fauchte Jener wie ein schwarzer Panther, dies häßlichste unzähmbarste aller Raubthiere, dessen gelbe Schwefelaugen man aus der Finsterniß der Käfigecke in nimmersatter Mordlust funkeln steht, – so brüllte Leonhart wie ein Löwe. Aber auch ihm fehlte des Löwen Majestät, des Leoparden Grazie. Gepeinigt von jenem Magenkrampf galleüberfüllter Bestien, letzte er seine stachlige Zunge im Blut der Opfer. Ergriff ihn die rasende Wuth seiner Weltverzweiflung, so zerriß er die ganze Heerde und soff Blut, bis er berauscht niedertaumelte. Er wollte Blut sehen, das Zerreißen selbst war seine Lust. Und sein Tatzenhieb vergiftete zugleich die Wunden, die er schlug, wie des Tigers Klaue ein Gift verbergen soll.
Lag nicht in dem ewigen Gejammer und Weltanspucken Leonharts eine unmännliche Schwäche verborgen?
Das Leben ist ja kein Liebeslied, sondern ein Schlachtgesang.
Das Genie findet fortwährend das Ei des Columbus. Warum nicht hier! Hätte er doch lieber alles Unedle deterministisch aus Abstammung, Erziehung und Umständen erklären sollen!
Faßte er nicht alles gleich von der schlimmsten Seite auf und nahm stets die schlechtesten Motive an, welche vielleicht ja unbewußt mitspielten, aber noch nicht als wirkliche bewußte Infamie aufgefaßt werden brauchten?
Krastinik überlas nochmals das Urtheil des Tagebuchs über Schmoller. Er lächelte. Nie hatte er Leonharts Vorliebe für diesen Mann bis zu solchem Grade begreifen können. Der aristokratische Instinkt lebte noch zu mächtig in ihm. Er sah in Jenem nur den echten Litteraturvertreter des Socialismus. So wie der freche Maurergeselle sich alleine »Arbeiter« nennt, als ob andre Leute vom Müßiggang lebten, und den Begriff der geistigen Arbeit nicht zu fassen vermag, dabei aber von Gleichheit und Menschenrechten schnapsfaselt, – so blickte dieser Arbeiterdichter im Dünkel seiner Bornirtheit auf alles herab, was nicht mit dem Modethema des Tages, der sogenannten socialen Frage, zusammenhing. Der Größenwahn des Socialismus ins Litterarische übersetzt. So hatte der Graf stets geurtheilt, obschon er dem großen Talent Schmollers Gerechtigkeit widerfahren ließ.
Doch mochte nun Leonharts mildere Auffassung die richtige sein, – warum wandte er sie denn nur Schmoller gegenüber an? Warum sah er nicht die Gebrechen der
dii minorum gentium
mit gleich verzeihendem Auge? Gewiß ein zugleich ekelhaftes und komisches Schauspiel, diese Krämpfe der Ohnmacht, die sich ihres Nichts nicht bewußt werden will und alles besser könnte, wenn sie nur Zeit hätte. Oder diese idealen Pumpiers, die jeden »Collegen«, der nicht grade verhungert, als reichen Filz verschreien, wenn er ihnen nicht die Mittel zum faulen Schlampampen bieten will. Und doch – von »Lumpen« zu reden ist leicht. Aber wieviel bittre Scham, wieviel Erröthen vor sich selbst, wieviel Qual gekränkten Stolzes, welche Reue um gefallene Ehre mag heimlich solch ein Lump- und Pumpleben begleiten! Und wie natürlich erscheint der verzehrende Neid gegen den, der nicht nur größer, sondern auch in glücklicheren Verhältnissen! Recht wohl kann die Raserei herostratischer Neidwuth sich mit der tiefen und reinen Läuterung weihevollen Schmerzes in anderer Hinsicht verbinden. Denn widerspruchsvoll ist der Menschengeist. Drum will auch alles Menschliche so verstanden und entschuldigt werden. Warum empfand Leonhart nicht selbst das harte Loos nach, das Loos der Edelmann und Haubitz? Nachdem man sich von Kindesbeinen an als geheimer Agent Apollos weihepriesterlich
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