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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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auf goldnen Strahlenschnüren schien langsam droben hinzuschweben. Dann wieder schien eine Stadt aus Purpurwolken den Rand des Horizontes zu schmücken.
    Leichte feuchte Wassernebel kräuselten sich, emporsteigend. Roth überhaucht wie gefrorenes Blut schien sich die ruhige Fluth zu dehnen, ruhig wie das Todte Meer, das wie Eisenöfen raucht, wo ihren Saft die Palme gerinnen fühlt. Das Todte Meer mit seinem giftigen Qualm – ja, dem gleicht das Leben der großen Welt und der großen Stadt. Und das Rothe Meer – ja, durchs Rothe Meer muß man hindurch, wenn man zum gelobten Lande will. Aber die Feuersäule des Genies, die den Weg weist – wo lodert sie? ......
    Die Lectüre dieses Tagebuches wirkte niederdrückend. Das Herz krampfte sich zusammen vor diesem Aufwühlen aller geheimen Schreckensmächte, die unser Dasein unterhöhlen.
    Gewiß kann solch ein Grimm als ehrwürdig, als ein heiliger Zorn erscheinen. Von ihm werden die großen Männer zu welterschütternden Thaten hingerissen. Man liebt einen guten Hasser. Es ist der Haß gegen die Feigheit und Falschheit der Welt.
    Die Hindus beten die Brillenschlange, die Hagin den Tiger an. Die Chinesen opfern im Sturm dem Drachen der Tiefe, statt ihr Schiff zu lenken, und lassen sich als Gefangene lieber pfählen, statt tapfer zu fechten. Ewig verehrt die stumpfe Herde Fetische. Aber der vom göttlichen Hauch Beseelte wird wieder und immer wieder seinen Wormser Protest aus der Klause von Ermenonville, aus dem Erker der Wartburg, von der Insel Ufenau treu bis zum Tod den unfehlbaren Päpsten dieser Welt entgegenschleudern: »Ich hab's gewagt! – Ich kann, nicht anders, Amen.«
    War Leonhart ein solcher Geist, war es ein heiliger Zorn, der ihn beseelte? Wohl darf man fürchten, nein.
    Und schlägt dieser Wahrheitsdrang des »Entrüstungs-Pessimismus« nicht manchmal ins Manierirte, Krampfhafte um? Schneidet er nicht Grimassen scheuer Lüsternheit, wirft er nicht Togafalten des Weltschmerzes?
    Ibsen ist ja so verlogen, daß er die Verlogenheit der Menschen stets noch ins Unwahre übertreibt Etwas davon stak auch in Leonhart's griesgrämiger Skepsis. Während dieselbe die naturentstellenden Schönpflästerchen hinwegzuschwemmen suchte, fehlte es ihr selbst nicht ganz an Schminke. Echtes Gefühl und falsche Empfindelei zu unterscheiden, fiel manchmal schwer. Gleichwohl suchte man ja hier umsonst nach der Zwiebel, welche die schönen Zähren entlockt, wie bei moschusduftigen Flennern. Ueber diese harten bizaren Züge, welche ein wahrer Schmerz verzerrt, rannen wirkliche Thränen. Aber verwischten sich nicht vor dem absichtlich kurzsichtigen Mikroskopauge des Dichters hier allmählich die Unterschiede von Vernunft und Narrheit?
    Und wenn er auch elementare Naturlaute lallte, warum fand er niemals Noten auf dem Instrument seines umfassenden Geistes für morgenfrische Glücksbegeisterung? Freilich, wo sollte die auch herkommen in einer Zeit, die nur feiles Gesindel heranzüchtete?
    Ja, es blieb wahr, wie man es drehen und wenden mochte, dieser Grimm war an sich gerecht . Die Ver zweiflung hatte ihn geboren. Der Ekel an seiner jämmerlichen Umgebung, dem »Collegen«-Gesindel, in das ihn sein vermaledeiter Beruf verstrickte, mußte sich einmal Luft machen. Und was er an Klagen und Anklagen vorgebracht war ja an sich gerecht.
    Allein, seiner grausamen Ironie fehlte gänzlich das Wohlwollen. Und somit erhob er sich nur wenig über den allgemeinen Menschenhaß eines Schmoller. Gewiß gehörten sie Beide, Löwe Leonhart und Tiger Schmoller zu der adeligsten Rasse, der Rasse der Naubthiere. Aber wie sah es denn mit dem Charakter dieses unerbittlichen Zuchtmeisters selber aus, der so lieblos seine Geißel schwang über Gerechte und Ungerechte?
    Ueberall spürte man mit Trauer, aber nicht immer mit Mitleid, wie der Schatten des Wahnsinns diesem grellen Irrlichteln näher rückt. Er wüthete endlich auch gegen sich selbst und prophezeite mit heiserem Gelächter seine Anlage zur Geistesstörung.
    Eine alte Erfahrung lehrt, daß die Welt nur als ein Spiegel dient: Was herein schaut, schaut heraus. Das Ich selbst giebt allein die Auffassung des All. Ein guter Mensch entdeckt überall gutmüthige Züge, ein schlechter überall nur bewußte oder unbewußte Schlechtigkeit. War nicht Leonharts und Schmollers wüthende Misanthropie gerechtfertigt, da sie von sich selbst aus urtheilen mußten? Eine Gesellschaft, die aus lauter solchen Naturen bestände, möchte sich wohl bald genug

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