Größenwahn
nicht den Anforderungen ihrer schrankenlosen Begeisterung genügt. Dem Bedürfniß der Jünger gehorsam, muß er immer auf dem Quivive stehn, um beliebige Messiasthaten zu verrichten. »Und der König absolut, wenn er uns den Willen thut.« Gott schütze ihn vor seinen Freunden, mit seinen Feinden wird er schon selber fertig.
Drum sah jetzt Krastinik, nachdem ihm die Schuppen von den Augen gefallen und er sein umgekehrtes Damaskus gefunden, nur einen genialen Charlatan und krankhaften Bramarbaseur, wo er einen verzerrten großen Mann bedauern sollte. Mochte ihm Leonharts ewige Selbstbetrachtung widerlich geworden sein, er vergaß darüber dessen Umgebung, das scheußliche Ungeziefer des modernen Kunstproletariats. Entweder Parnassauer, die es für ihr heiliges Recht halten, auf Kosten der ehrlichen Arbeit faul zu schlampampen und ihre Unfähigkeit fortzumästen – oder Macher, die ihr kleines Dichtergeschäft in hellen und dunkelen Stoffen wie die Goldne Hundertzehn annonciren. Krastinik wußte ja, wie nur verzweifelte Nothwehr den Unglücklichen dazu trieb, seine Schöpferruhe zu opfern, um mit der Peitsche die Zöllner und Wucherer aus dem Tempel zu jagen. Wozu also jetzt sein posthumer Groll über die Selbst-Herabschraubung seines Idols, das im Tagesgetümmel sich herumraufte, sich mit Koth bespritzen ließ und selbst mit Kothballen um sich warf? »Graf« Leonhart hätte das ja gewiß nicht nöthig gehabt und seine hehre Mission ohne Furcht und Tadel erfüllt. Seine Fehler waren die Früchte seines niedergedrückten Lebens und seiner berechtigten Menschenverachtung, seine Tugenden waren sein eigen.
Doch diese Reaction eines neuen Standpunktes diente als heilsame Krisis. Das Stadium der persönlichen
Hero-Worship
war hiermit endgültig überwunden.
VII.
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Seit acht Tagen saß Graf Xaver Krastinik, der neugebackene Vormund des unmündigen Majoratsherrn, auf dem Schloß seiner Väter. Die gänzliche Umwandlung seiner Lebensverhältnisse überraschte ihn kaum mehr. So märchenhaft reich an Schicksalsschlägen war sein früher so eintönig ruhiges Leben in den letzten zwei Jahren verflossen, daß die Nachricht, welche ihn in Siebenbürgen empfing, ihn kaum befremdete. So eilig er dem Heimruf gefolgt, war er zu spät gekommen. Sein Bruder hatte bei dem Sturz mit dem Pferde so schwere innere Verletzungen davongetragen, daß er drei Tage darauf starb, ein kraftstrotzender Mann in der Blüthe seiner Jahre. Da er seit Jahren Wittwer, setzte sein Testament naturgemäß seinen Bruder zum Vormund der beiden hinterlassenen Kinder Graf Koloman und Comtesse Julie ein. So überkam Xaver die Verantwortung und Pflicht, den ausgedehnten Familienbesitz noch neun Jahre als Vormund zu verwalten.
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Neun Jahre hier verbauern! Es fiel ihm unendlich schwer, sich an diese Aussicht zu gewöhnen und sich auch nur für's erste behaglich einzurichten.
Das Gefühl der Behaglichkeit läßt sich nicht erzwingen: Es ist einfach da oder nicht. Ein ganz gesunder Mensch fühlt die Existenz selbst als Genuß.
Durch andrer Warnung wurde noch nie ein Mensch gebessert. Man muß sich selbst erziehn, indem man aus eigner Erfahrung für alle Dinge bezeichnende Formeln findet.
Die Strafe der widerwärtigen Abhängigkeit von Außendingen bleibt niemals aus. Nur das Innere bleibt fehlerlos, während die Außenwelt unaufhörliche Fehler birgt. Geistige Arbeit scheint einzige Rettung, indem sie ganz über die Außendinge hinweghilft.
Aber wo entsprechende geistige Arbeit finden! Denn diejenige des ästhetischen Dilettantismus entwürdigt einen männlichen Geist.
Krastinik warf sich schon seit geraumer Zeit auf Naturwissenschaften, wozu die alte wurmstichige Bibliothek seines Schlosses ihm ausreichende Mittel zu gewähren schien. Allein, nur unter dem bildungsdurstigen Geschlecht Ende des vorigen, Anfang dieses Jahrhunderts, hatte man dieselbe bereichert und so fand er denn hauptsächlich französische und englische Werke dieses Genres aus der Blüthezeit der ersten Periode des modernen Materialismus, während die spätere Metaphysik der Deutschen durch Abwesenheit glänzte.
Er studirte die Encyclopädisten, das berühmte »System der Natur« Holbachs und »Ueber den Geist« von Helvetius.
Gedanken? Eine Fähigkeit, Eindrücke
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