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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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höherer Reinheit und Größe der Gesinnung emporrang, mit kindlicher Ehrfurcht aufsah. Welch ein Beispiel für fieberhaft tobenden Größenwahn! Hier war einmal ein Mensch, selbstgewiß und selbstbewußt, aber nie in Selbstvergötterung verstrickt, unentwegt voll gläubiger Demuth, voll frommer dankbarer Verehrung der unbekannten Mächte, die ihn und die Seinen so weise geführt.
     
    Es dunkelte. Wie fackeltragende Gnomen tanzten Lichter an beiden Ufern umher. Krastinik saß allein, neben sich als einzige Genossin eine Flasche Aßmannshäuser. So heftig er jeden Rückfall in Dichterei verschworen, unwiderstehlich quoll ihm von bebenden Lippen das Lied:
     
    Ich bin so allein, so ganz allein
    Auf der weiten Welt.
    Gleichgültig rauscht vorüber der Rhein,
    Gleichgültig gleißt der Sternenschein
    Vom Himmelszelt.
     
    Ich bin so allein, so ganz allein
    Und mein Herz ist voll.
    Verkannt und unverstanden sein,
    O nagende plagende Seelenpein,
    O bittrer Groll!
     
    Ich bin so allein, so ganz allein,
    In die schweigende Flut
    Ueber Bord verschütt' ich den letzten Wein
    Und schütt' in Gedanken hinterdrein
    Mein letztes Blut.
     
    Leiden sollst Du, Menschensohn, leiden, bis die Pulse stocken. Und doch will man nicht leiden. Wozu dies Alles, wozu sich immer erneuen in der Erscheinungen Flucht? Denn ahnen wir nicht, daß wir einst gewesen, daß wir schon lange begraben sind? Unfaßbare Erinnerung einer Seelenwandrung.
    Ein lüsterner Falter, gaukeln wir alle unsterblich im flüchtigen Schein. Sind wir das Ewige, das immer neu von Hülle zu Hülle flattert?
    In der uferlosen Fluth des Seins untergehn und weiterwogen – – mit allen Welten ruhen im Schooße des Alls – mit Vergangenheit und Zukunft lichtgewobene Brücken schmieden – das allein heißt Unsterblichkeit.
    Nach dem unsagbar Einen mag Dich die Sehnsucht umsonst berücken, doch ruhe in Dir selbst! Wie lange dauert's und Todesruhe drückt ihr bleiches Siegel auf Deine fiebernde Stirn.
    Schein ist alles Wesen und stumm verlacht uns das Schicksal. Drum trage auch Du in starrem Schweigen das ewige Einerlei. Schweig und stirb! Halte den Mund und arbeite! »Fähnrich, wenn Er stirbt, so sterbe Er ruhig!«
    Wenn Du also denkst, dann werden alle Winde, alle Wellen Dich grüßen, die Dich einst als Jüngling mit frommem Schauer durchwogt, und brüderliche Sterne erhellen Dir das alte Märchenland der Sehnsucht.
    Unser Leben ist selbst nur ein Sinnbild des Welträthsels, das sich langsam aus chaotischem Urschlamm der Sinneserregungen zum hellen Bewußtsein aufringt. Drum, Dichterherold, streue Deine Verse wie Samenkörner, die der Wind in weite ungeahnte Fernen führt! Die Ernte feiern wir drüben, wenn nicht hier. Drum dresche weiter!
    Und siehst Du auch keinen Spiegel Deiner Strahlen, entzünde stets aufs neu der Weisheit Lampe! So lange ein Acker bleibt, ziehe breit und fest des Fortschritts Furche mit brennender Pflugschar!
    – – Aber wenn man nun kein Dichter ist, kein Denker, kein Seher, und dennoch dasselbe Gefühl des Ewigen in sich trägt, ohne ihm artikulirte Laute zu leihen, was dann? Verfehltes Leben!
    Das Schwanken des Lebensschiffes endet nie und die Seekrankheit des Pessimismus hebt immer von neuem an. Nur der sturmgehärtete Seemann schwingt sich furchtlos in den gefährlichen Raaen. Nur eine eigenthümliche Hoheit der Willenskraft, nämlich ideale Kampflust, macht furchtlos und fest, wie die feiende Feder des Simurgh den Rustem vor jeder Fährniß schützt.
    Gewann er denn nicht lange schon die Einsicht, daß künstlerische Thätigkeit für Höherdenkende ein entehrender Humbug und nur für technische Kunsthandwerker erfreulich sei? Im Wirken solcher Art Befriedigung suchen, das lag ja heut lange hinter ihm. Ihm däuchte, sein kurzes Herumplätschern im litterarischen Sumpf sei wohl nur ein wüster Traum gewesen. Was für ein Gackern und Schnattern und Truthahn-Kollern, mein Gott!
    Auch gegen Leonhart wurde er jetzt ungerecht durch natürliche Reaction, während »dem großen Todten« immer noch Weihrauchdämpfe aus den Spalten aller bedruckten öffentlichen Meinung nachqualmten. Es giebt eine stürmische Vergötterungsmanie selbstsüchtiger Jüngerschaft, die an Petrus' Zweifelzorn darüber erinnert, daß Christus sich nicht der Kanaille mit Donner und Blitz enthülle! Solche Jünger und Jüngerinnen transfiguriren sich ihren Meister so zurecht, bis sie vor lauter selbstloser Bewunderung recht selbstsüchtig raisonniren, sobald der Meister mal

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