Größenwahn
lachte bitter in sich hinein, als er sich selbst in eine Nachtdroschke warf und mit starkem Cigarrenqualme die Dünste des vergifteten Weines zu verwischen suchte.
Das ist der Mann! Während sie, die Eine, vielleicht ernsthaft an ihn dachte, während die gebüldete Kneifer-Jungfrau mit Eros Pfeil behaftet in ihr Bett schlüpfte, gähnte er verdrossen und mürrisch in die Nachtnebel hinein. Aber einen komischen Gewissensbiß spürte dieser schwächliche Halb-Idealist denn doch. Der Instinkt brachte ihm das dem Menschen eingeborene Gefühl zur Geltung, daß eine Doppeliebe nebeneinander unmöglich sei. Jede Verletzung monogamischer Treue wird als ein Abfall vom natürlichen Ideal empfunden.
Am andern Tage – Witterungswechsel war eingetreten, die ermüdeten Nerven wie der erhitze Magen hatten in der eisigen Nacht eine ungesunde Abkühlung erfahren – räkelte er auf seinem Sopha, die Zeichnungen zu Kuglers »Friedrich der Große« von Menzel durchblätternd und versäumte eine Entrüstungs-Conferenz mit Collegen in Sachen einiger Bildabweisungen durch die Jury der letzten Kunstausstellung. Wäre er aber rechtzeitig gegangen, so hätte er den Brief nicht mehr erhalten, der ihn auch den Abend zu bleiben bestimmte. Auf seine Frage, ob sie mit ihm in Sardon's »Theodora« gehn wolle, hatte sie wieder zögernd erwidert: es ginge nicht, nachdem sie so lange nirgendwohin ausgegangen. Dennoch wollte er hinaus fahren und sie bestimmen, mit ihm öffentlich zu erscheinen, obschon Beide sich wohl über dies Wagestück klar sein mochten. Sie schrieb ihm aber jetzt:
»Dürfte ich Sie bitten, statt Montag schon morgen Sonntag um vier zu mir zu kommen, da ich mit Ihnen noch über eine Angelegenheit reden möchte. Mit herzlichem Gruß Ihre K.K.«
Rother ging nun allein ins Residenztheater, um das byzantinische Ensemble auf seine Kostüm-Echtheit zu prüfen. Sein gewöhnliches Steckenpferd. – Dies Bild einer Dirne, die sich bis zur Weltherrscherin emporringt, an der Seite eines vom Karrenschieber zum Cäsar aufgestiegenen Justinian, rief ihm so recht die originelle Urweib-Erscheinung Kathis in ihrer unheimlichen Voll-Kraft vor Augen. Die Scene, wo Andreas seiner Verführerin flucht und Liebe und Haß bei ihm auf- und abwogen, erschütterte ihn tief.
Er dachte an seine eigene »Theodora«. Sollte auch er ihr einst fluchen? Sollte übermächtiger Haß die Liebe besiegen? Nein, nein, sie war gut, sie war edel. Er hatte es beim letzten Mal so recht erkannt.
Warum mußte ihm durch Vererbung so viel sinnliche Leidenschaft und zugleich so viel reine aufopfernde Liebessehnsucht ins Herz gepflanzt sein! Was hilft die geistige Begabung oder Charaktergaben in der Geschlechtsliebe, welche doch die Spiralfeder aller Handlungen und das wichtigste Element des Lebens bildet? Absolut nichts – beim Weibe wenigstens.
Schönheit und Kraft gilt beim Weibe natürlich viel: sie nennt das »gern haben«, wenn ihre physischen Begierden erregt. Rang und Reichthum gilt noch höher. Einem Titel wiedersteht man schwer und einem vollen Goldsäckel, der die Vision des Luxus hervorzaubert, zu widerstehn, scheint kaum möglich. Ruhm – schon viel weniger verlockend. Was ist Ruhm! Höchstens kann er sich in gesellschaftliche Stellung umsetzen. Und gar der geistige Werth ohne Ruhm – ein Nullwerth! Güte des Charakters? Taugt hochstens dazu, mit einer Art herablassendem Mitleid in Fällen der Noth ausgenutzt zu werden.
Der Schönste, Kräftigste, Reichste und Vornehmste – der hat ja doch alleine Chancen in der Welt wie in der Liebe, der Weise und Beste nie.
Was ist also Liebe eigentlich? Ein Ding, das für die Weisen und Guten nicht paßt, also ihrer unwürdig. Und doch leiden oft gerade sie am tiefsten unter dieser Folter.
Warum muß das Gefühl der Liebe sich grade an ein Geschöpf wie das Weib knüpfen? Wie viel glücklicher scheint das Weib in dieser Hinsicht, da sie wirklich das intellectuell und moralisch hoher stehende Element im Manne lieben kann!
Aber was helfen die Betrachtungen! Aendern die etwas an der Leidenschaft selbst? Die bleibt, allen philosophischen Reflexionen zum Trotz. Die Liebe, wenn zur wirklichen verzehrenden Leidenschaft entflammt, gehorcht immer nur der Sinnlichkeit.
Wäre das schöne Weib minder begehrenswerth gewesen, so hätte Rother sicher nicht bis zu solch selbstvernichtender Hingebung sich herabgelassen. Die Liebe gleicht einer Furie selbstsüchtiger Selbstvernichtung, welche ihre höchste Wollust im
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