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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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auf.
    »Nun, was bist denn?« koste sie. »Sag mir's doch!«
    Unwillkürlich fiel ihm die Sage von Merlin ein, dem die Nixe das eine bannende Wort ablocken will. »O ich meine nur so im Allgemeinen,« brummte er halblaut.
    »Nun muß ich aber arbeiten. Du weißt nicht, wieviel ich zu thun hab'«, sagte sie rasch. »Jetzt laß mich allein.«
    »Gut denn, ich geh schon. Wann sehn wir uns also wieder, bevor Du fortgehst?«
    »Am nächsten Montag um fünf Uhr. Und nun sag noch meiner Wirthin Adieu.« Er that es. »Ach sieh, ich bin größer wie Du,« lachte sie, indem sie an der Thürschwelle sich auf ihren hohen Stiefel-Hacken erhob, welche alle weiblichen Wesen der unteren Schichten für das untrüglichste Zeichen ladyliker Eleganz halten.
    »Noch was, Du mit Deinem Cothurn!« Kindisch wie sie (wie er denn unwillkürlich von diesem wundersamen neuen Umgangskreis in seiner ganzen Lebensauffassung angesteckt wurde), maß er mit der Hand die Höhenfläche ab, indem seine Augenbrauenhöhe mit ihrer Stirnhöhe auf gleicher Linie lag.
    »Schad't nichts. Wenn das Alles wahr ist, was für ein großer Künstlehr« (sie sprach das Wort mit altberlinischem Accent) »Du bist, so hätt'st Du doch wenigstens etwas in die Breite wachsen sollen. So kommt mir's vor, als ob ich gar keinen ordentlichen Mann neben mir habe.«
    »Oho, das glaubst Du doch selber nicht! Jeder Zoll ein Mann!« Dabei gab er ihr einen Kuß und drückte sie an sich.
    »Ja, ich glaub's schon. Bist doch ein schneidiger Kerl,« näselte sie drollig, »wie ein Dragoner in Civil.«
    »Alter Puselkopp!« Damit klopfte er sie über die Stirn und streichelte ihre Haare. Dann schüttelten sich Beide herzhaft die Hand und sie rief ihm übers Geländer nach: »Alter Puselkopp, auf frohes Wiedersehn!«
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    In gehobener Stimmung kehrte er heim und arbeitete mit zäher Entschlossenheit mehrere Tage lang ununterbrochen an seinem Bilde. Am Freitag aber hatte er sich mit dem Componisten Henry Francis Annesley, einem jüngeren Freunde, verabredet, in einer Weinkneipe zusammenzutreffen.
    Annesley spielte sich als ein Bewunderer von Rothers originaler Künstlerschaft auf und lauschte daher andächtig, als dieser ihm feierlich docirte, wie er ein Bild »Jesus und die Ehebrecherin« untermalt habe, wobei er tiefsinnig über das Wesen des Christenthums sich äußerte.
    »Wer sich rein fühlt, der werfe den ersten Stein auf sie,« dieser Spruch des Heilands, in welchem die letzten Schranken durchbrochen werden, hatte Eduard natürlich besonders imponirt. Und wie bequem läßt sich der Sinn des leicht mißzuverstehenden Spruches zurechtstutzen: »Ihr sei viel vergeben, denn sie hat viel geliebt«!!
    Nachdem sie also in erhabenen Gefühlen geschwelgt, endeten sie logisch und naturgemäß mit dem schönen Triebe, einige Maria Magdalenen zu trösten. Eine blaue Laterne, als sie ziellos über die Straße schlenderten und sich in dem übelriechenden Gehege der weiblichen Asphaltblumen fortschoben, leuchtete ihnen freundlich zur gastlichen Herberge.
    Das »Café Calcutta« strahlte in seiner ganzen Pracht. An den Decken der Wein-Stuben tanzten indische Bajaderen in schreiend grellen Farben und beträchtlicher. »Märchen«-Nacktheit. Vorn in der Hauptschenkstube hingen zwo herrliche Gemälde: »Nena Sahib der große Nabob« und »Lord Clive, Eroberer von Indien«.
    Der Wirth, eine pikante Persönlichkeit mit aufgedunsenem Gesicht, gierigen Augen, lüsternen Lippen, schnüffelnder Fuchsnase, »aber immer elejant« mit Kneifer, schwarzem Leibrock und tadelloser Blondin-Frisur – der berühmte Anekdotenerzähler Herr Strieseke, bot mit freundlichem Grinsen seine Schnupftabacksdose den Ankömmlingen dar indem er zugleich mit würdevollem Bückling den Herren die Weinstuben empfahl.
    Die weibliche Bedienung, welche angeblich französisch, englisch, russisch, magyarisch, chinesisch, ostafrikanisch und – indisch sprach, erschien auf der Bildfläche in bengalischer Beleuchtung und Bekleidung. Letztere etwas kärglich zugeschnitten. Doch wenn sie auch unten und oben ausreichender Gewandung entbehrten, so schien dieses Armuthszeichen doch auf ihre sonstige Ernährung nicht von Einfluß gewesen zu sein. Ihr offenbar ergiebiger Futterkorb hatte sie meist so dickgemästet, wie eine deutsche Schriftstellerin in ausgeschnittener Schriftstellertag-Tournüre.
    Spanische Seidenmantillen und

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