Größenwahn
über den Haufen wirst, für arrogant.
»Well,« sagte Mowbray, »Bazaine nennt sich ja noch in seiner bekannten Rechtfertigungsschrift den › Besieger Preußens in den zwei schwersten Schlachten des Jahrhunderts‹.«
»Ja, er wagt sich damit zu brüsten,« erwiderte der Oesterreicher trocken, »obschon er damit höchstens das niedrige Niveau seines Begriffsvermögens zeigt.«
»Hört, hört? Ein französischer Marschall..«
»Abgesehen von der taktischen Unbestreitbarkeit der deutschen Siege,« fuhr Jener unverdrossen fort, »wurden Vionville und Gravelotte ja zu schweren strategischen Niederlagen..«
»Hört, hört? Sie widersprechen sich da doch, Sir,« fiel ihm Maud spitz ins Wort und schien sich dieses Hiebes zu freuen. »Sie verkleinern die preußische Strategie und sagen nun doch selber..«
»Pardon, Miß. Nicht die geniale Voraussicht des preußischen Hauptquartiers erzielte diese Erfolge, welches z.B. bei Gravelotte die Entscheidung ganz an falscher Stelle, statt bei St. Privat auf dem entgegengesetzten Flügel suchte. Bazaines Auffassung seiner Lage am 16. August war von seinem Standpunkt aus ganz richtig. Er wollte ja eigentlich gar nicht nach Verdun abmarschiren, wie deutscherseits immer behauptet, sondern vor allem sich an Metz lehnen. Der angebliche Plan des deutschen Obercommandos, die 200000 Mann starke Bazainesche Armee in das für uneinnehmbar gehaltene Metz hineinzudrängen, ist ihm erst nachträglich als von Anfang an bestehend untergeschoben. Der Plan schien auch so unerhört kühn, daß er kaum Erfolg versprach. Am 16. August, dem eigentlichen Entscheidungstag des Feldzugs, ohne den das spätere Sedan unmöglich war, operirte man beiderseits so planlos wie irgend möglich und der ganze Ruhm gebührt den unübertrefflichen altpreußischen Truppen.«
»Und Sedan?« fragte Egremont.
»Glauben Sie denn etwa, ein Sedan wäre möglich gewesen ohne die zwingende Gewalt schicksalsschwerer Umstände? Die deutsche Oberleitung, die auf Paris vorrücken wollte, tappte ganz im Dunkeln und der gewagte Plan Mac Mahons, an der Nordgrenze durchzuschlüpfen, war beinahe geglückt – als man im letzten Augenblick die Falle merkte und nun in unerhörten Gewaltmärschen an die Maas eilte, die man nur deutschen Truppen zumuthen durfte. Uebrigens wird auch hier Moltkes spezielles Verdienst etwas überschätzt. Der Befehl an die dritte Armee zu der großen Rechtsschwenkung kam schon zu spät – hätte nicht der Generalstabschef dieser Armee, der alte Blumenthal, auf eigene Initiative hin schon vorher die Rechtsschwenkung ausgeführt. Diese Thatsache, ist freilich nur sehr Wenigen bekannt. Trotzalledem aber fruchtete das Alles nichts, falls nicht Mac Mahon so schandbar langsam marschirt wäre. Aber auch daß er an der Maas ereilt wurde, ehe noch ein Theil seiner Truppen auf das jenseitige Ufer gelangt war, hätte ausgeglichen werden können, falls nicht Faillys Corps sich bei Beaumont in so unerhörter Weise überfallen ließ. Und selbst dies hätte noch verwunden werden können, wenn Mac Mahon nicht unbegreiflicherweise unter den Wällen von Sedan hätte abkochen lassen und sich achtundvierzig Stunden dort zur Ruhe gesetzt hätte. Ja, und selbst dann noch war, wenn auch nicht eine schreckliche Niederlage, so doch die Kapitulation vollständig zu vermeiden, wenn man nur am Morgen oder Vormittag mit aller Macht auf Mezières abrückte. Unter solchen Umständen zu siegen, ist keine Kunst. In der Schlacht von Sedan selber aber hat wieder nur die wundervolle Sicherheit und Energie der deutschen Truppen selbst so glänzende Resultate ermöglicht. – Was geschah aber nach Sedan? Vinoy, der unrettbar verloren war, entkam mit seinem ganzen Heer und in dem nun völlig waffenlosen entblößten Frankreich marschirte Moltke so vorsichtig mathematisch, daß man Paris richtig nicht mehr überrumpelte, wie man so leicht konnte. Und am Tag von Châtillon beim Eintreffen vor Paris, wo man notorisch die Stadt hätte nehmen können, fehlte es ganz an selbstständiger Initiative. Selbst Blücher handelte 1815 beim Vormarsch auf Paris nach Waterloo viel genialer und darum richtiger. Und wie anders würde ein Napoleon handeln! Nein, Mac Mahon und Bazaine waren nichts wie leidliche Routiniers der Taktik, sogenannte Bataillegenerale – aber die preußische Führung riecht andrerseits immer wieder nach der Studirlampe. Statt Napoleons Kriegs kunst haben wir heut eine Kriegs wissenschaft , ein Schachspiel mit höherer
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