Groheim - Stadt der Magier (German Edition)
kaum länger als seine Handkante war.
„Ich hab vielleicht nur ein kleines Brotmesser dabei, aber komm mir nicht zu nahe“, sagte er laut und mit so viel Aggressivität, wie er aufbringen konnte. Er hoffte, dass die Kreatur zumindest am Tonfall verstand, dass sie stehen bleiben sollte.
„Bleib weg von mir“, fügte er dann noch hinzu, als sie unbeirrt weiter auf ihn zuging. Mit einem Satz war sie bei ihm und drückte ihn mit einer massigen Klaue gegen die Steinwand. Sie war nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt und er konnte ihren Atem riechen. Der Geruch von Fisch schlug ihm entgegen.
Dann drückte die Eisbestie langsam ihren Kopf gegen seinen. Ihr Pelz kratzte in seinem Gesicht.
Dann geschah etwas, das dafür sorgte, dass Grogarda vergaß herunterzuschlucken. Er musste husten.
Ich will dir nicht wehtun , hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Es war wie ein Gedanke Grogardas, nur war er sich sicher, dass es nicht sein eigener war.
„Was beim schlitzohrigen Gott der Händler?“, platzte es aus Grogarda heraus.
Ich bin der Älteste. Ich will reden. Wir haben versucht mit den Kuppeltieren zu reden. Sie wollten nicht reden. Sie wollten die Wärmespender. Sie wollten nicht teilen. Wir haben sie vertrieben. Nun kommen die anderen und stehlen immer wieder.
Bilder waren in seinem Kopf erschienen, während die Kreatur in seinem Kopf gesprochen hatte. Sie irritierten ihn erst, weil ihre Perspektive völlig fremd für ihn war. Er sah aus der Sicht der Eisbestie, wie die blauhäutigen Menschen nach den Vanthara-Steinen schürften.
„Ihr habt Angst, deswegen greift ihr die Stadt an, obwohl das Bergwerk zerstört ist“, stellte Grogarda fest. „Wofür braucht ihr die Vanthara-Steine?“, fragte er. Die Kreatur ließ ihn los und ging einige Schritte. Sie deutete mit der Klaue auf eines der Nester. Grogarda sah hinein. Dort saßen kleine Eisbestien, überzogen mit einem wollartigen Flaum, der sie eher wie plüschige Kissen wirken ließ. Die große Eisbestie schob mit der Pranke eines zur Seite und es quiekte protestierend. Grogarda sah, dass die Jungtiere auf einem runden Stein saßen, der den Boden des Nestes auszufüllen schien. Die Eisbestie scheuchte die Jungtiere zur Seite und hob den Stein an. Darunter war ein kleiner, faustgroßer Vanthara-Stein zu sehen, der in einem dunklen Licht pulsierte. Grogarda hielt die Hand zum Stein und spürte die ungeheure Wärme, die von ihm ausging.
„Ihr benutzt sie für die Brut?“, fragte er. Die Kreatur drückte wieder ihren Kopf gegen den Grogardas.
Ich kann dich nicht verstehen, wenn keine Verbindung besteht, erklärte sie. Das ist das Problem. Wir haben versucht in Verbindung zu treten, mit vielen Zweibeinern. Doch wir bekamen keinen so recht zu fassen. Erst dich. Wieso bist du so schneefarben? Bist du missgestaltet?
„Weil ich nicht von hier komme. Ich wohne nicht in der Stadt unter der Kuppel“, erklärte Grogarda.
Von wo kommst du?
„Von weit, weit her“, erklärte Grogarda und versuchte sich auf ein Bild von Groheim zu konzentrieren. Er hoffte, dass die Kreatur das Bild empfangen würde, so wie er die Erinnerungen der Eisbestie empfing.
Wirst du uns helfen, Blasshaut Grogarda?, fragte der Älteste nach einer Weile.
*
Hogelesh führte Filius mit Hilfe der Karte im Notizbuch über einen verschlungenen Pfad über einige Dächer zu einem Flachdach, das von den umliegenden Gebäuden nicht eingesehen werden konnte. Dort lagen einige Lumpen herum. Kleine Vögel stoben hoch, als sie das Dach betraten.
„Was stinkt hier dermaßen?“ fragte Filius und verzog das Gesicht. Eine Wolke übelriechender Luft schob sich ihm entgegen. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl.
„Das ist Verwesung“, stellte Hogelesh fest. Er ging zu dem Lumpenhaufen und stellte fest, dass es Kleidung war, die jemand getragen hatte.
„Nein“, schrie er, als er das verzerrte und ausgedörrte Gesicht erkannte. Es war sein Bruder, Frar. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten, so schien es. Einige Vögel hatten Stücke aus seinem Gesicht gepickt.
„Er ist noch nicht lange tot“, stellte Hogelesh fest und rang mit den Tränen.
„Du kennst ihn?“, fragte Filius und legte Hogelesh die Hand auf die Schulter. Hogelesh nickte und presste die Lippen aufeinander.
„Mein Bruder“, brachte er hervor. Er fasste Frar in den Nacken. Irgendetwas stimmte nicht an seiner Haltung. Ein Messergriff ragte aus dem Nacken heraus. Jemand hatte das Messer bis zum Heft in das Rückgrat
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