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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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verwarf den Gedanken wieder. Diese Abschweifungen waren
schlicht und einfach unprofessionell.
    Mit wenigen Griffen legte sie ihre eigenen Kleidungsstücke zusammen
und verstaute sie in dem Koffer. Ihr Wunsch nach einem gründlichen
Tapetenwechsel trieb neuerdings seltsame Blüten, stellte sie trocken fest,
während sie in den knielangen engen Rock der Stewardessenuniform stieg.
    Als sie schließlich aus der Toilette trat, hatte sie sich ganz und
gar in eine Stewardess verwandelt. Uniform und Perücke saßen tadellos.
    Lisa brachte den Aluminium-Koffer zum Schließfach Nummer 205
zurück. Eine nicht ganz unproblematische Angelegenheit, denn die Ausgänge des
Flughafens lagen in entgegengesetzter Richtung. Typischerweise hätte eine Stewardess
mit privatem Gepäck den Flughafen entweder nach Dienstende verlassen oder zum
Dienstantritt betreten und wäre auf diesem Weg zum Personaltrakt oder zu den
Kollegen der eigenen Fluggesellschaft gegangen. Lisa und die Sektion-4 verließen sich jedoch darauf, dass sowohl die Fluggäste als auch das
Flughafenpersonal davon ausgingen, eine Stewardess könne sich überall auf einem
Flughafen aufhalten, ohne dabei auffälliger zu wirken als eine Krankenschwester
in einem Krankenhaus.
    An der Zollabfertigung standen fünf gelangweilte Beamte. Sie
spielten mit ihren Metalldetektoren und wussten anscheinend nicht, wie sie die
Zeit bis zur Ankunft der nächsten Einreisenden totschlagen sollten. Ganz in
der Nähe, direkt neben einigen mäßig besuchten Geschäften, klopfte Lisa zweimal
an eine unscheinbare Tür. Sie hatte dieselbe Farbe wie die Wand der Halle und
war nur durch ein in das Türblatt eingelassenes Buntbart-Schloss ohne Knauf
oder Griff zu erkennen. Die Tür öffnete sich sofort.
    Lisa trat ein.
    Vor ihr lag ein schmaler Gang, so schmal, dass zwei Personen kaum
aneinander vorbeikamen. Lisa fand sich einem breitschultrigen, unangenehm nach
Schweiß riechenden Mann gegenüber, der sie um gute zwei Köpfe überragte. Sein
enges T-Shirt betonte seine Muskeln und den weiten Brustkorb. Er musterte Lisa
eingehend und blickte mit undurchdringlichen Augen auf sie herab. Lisa kannte
ihn schon. Wie üblich sprach er kein Wort. Hätte sie nicht gewusst, dass es
sich um einen Kollegen der Sonderabteilung handelte, wäre die Situation für
Lisa mehr als beunruhigend gewesen. So blickte sie nur desinteressiert zu ihm
auf und nannte ihren Namen: »Lisa-Marie Delius.«
    Zum x-ten Mal fragte sie sich, ob sie ihm nicht doch irgendwann
einmal das Benutzen eines Deodorants nahelegen sollte. Eigenartigerweise hatte
sie sich noch nie dafür interessiert, wie er heißen mochte. Was war schon ein
Name. Nichts als eine austauschbare Bezeichnung, deren Offenbarung dem
alleinigen Zweck diente, andere Menschen in einer trügerischen Art von
Sicherheit zu wiegen. Lisa selbst hatte ihren Namen bereits dreimal gewechselt
und nur durch Zufall ihren ursprünglichen Vornamen noch einmal erhalten.
Seltsam war es ihr vorgekommen, das vertraute und doch fremd gewordene Wort
wieder mit ihrer eigenen Persönlichkeit in Verbindung zu bringen. Dennoch
glaubte sie nicht, dass es irgendeine Bedeutung haben könnte.
    Der Schrank von einem Mann hatte seine Musterung beendet. Er presste
ein seltsames Knurren aus den Tiefen seines Bauches hervor, das Lisa inzwischen
als eine Art Willkommensgruß unter Kampfgenossen interpretierte. Dann drehte er
sich um und schlurfte mit ausdruckslosem Gesicht zu einer zweiten Tür am Ende
des Ganges, welche Lisa nicht sehen konnte, weil sie durch sein breites Kreuz
verdeckt wurde.
    Nacheinander traten sie in einen neonlichterhellten, fensterlosen
Raum, den sie zu ihrer Überraschung noch nicht kannte. Dort saßen und standen
fünf weitere Männer, allesamt von athletischer Statur. Mit dem Rücken lehnte
sich der, der sie hereingelassen hatte, an die Wand neben der Tür, verschränkte
lässig die Arme vor dem breiten Brustkorb und bohrte seinen Blick geradewegs in
ihren Nacken. Alle sechs schwiegen auf eine dumpfe, brütende Art und alle waren
bewaffnet. Jeder einzelne von ihnen schwitzte aus feuchten Achselhöhlen.
    Lisa verdrehte innerlich die Augen. Sie versuchte, weder die Nase
zu rümpfen noch in Ohnmacht zu fallen. Auf diese Attacke gegen ihren Magen
inklusive Frühstück hätte sie ohne weiteres verzichten können.
    »Lisa-Marie Delius?« fragte der Breiteste von ihnen, der auch der
Teamführer zu sein schien, mit rauer befehlsgewohnter Stimme.
    Lisa nickte entnervt. Sie spürte

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