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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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geradezu körperlich, dass jeder
der Männer sie anstarrte. Um ihren Ärger zu verbergen, konzentrierte sie sich
ganz auf den Teamführer, der sich nun von der Tischkante abstieß. Obwohl diese
Männer Kollegen und an derselben Aktion beteiligt waren - von der Lisa
zugegebenermaßen nur ihren eigenen Part kannte - fühlte sie sich fremd und
nicht dazugehörig. Sie vermutete, dass die Männer sie als genauso fremd
empfanden.
    Der Teamführer ging um sie herum wie ein Feldwebel auf dem
Kasernenhof, der seine bedauernswerten Untergebenen daraufhin kontrollierte, ob
ihre Uniformen auch der Vorschrift entsprachen. Schließlich sagte er
unvermittelt: »Gate 18. Die Maschine ist schon auf dem Rollfeld. Beeilen
Sie sich.«
    Lisa verließ den Raum durch eine weitere Tür, die ihr der Teamführer
wies, ohne sich von der Stelle zu rühren. Hauptsächlich war sie erleichtert,
dieser Ansammlung von Kraft und offenkundiger Gewaltbereitschaft entronnen zu
sein. Gleichzeitig kam sie sich vor wie eine Schülerin, die von ihrem Lehrer
zur Strafe für schlechtes Benehmen aus der Klasse geschickt wurde.
    »Und das nach all den Jahren!« ärgerte sie sich. »Wie idiotisch
von mir!«
    Durch ein Labyrinth von Versorgungsgängen, welches ausschließlich
von dem technischen Personal des Flughafens betreten werden durfte, und vorbei
an dem lauten, komplizierten Gepäck-Transportsystem, gelangte Lisa wieder in
die belebte Passagierhalle. Sie passierte ungehindert Gate 18, nickte
freundlich einigen Swissair -Kolleginnen zu und betrat den Anlegerfinger.
Durch verschmutzte Fenster konnte sie sehen, wie zu dessen anderem Ende eine
Maschine rollte. Unbehelligt durchquerte sie den schlauchartigen Durchgang. Das
Flugzeug der Swissair legte gerade an. Die zwei heulenden Triebwerke
wurden ausgeschaltet. Der Lärm wurde schnell schwächer.
    Die Bord-Luke glitt nach innen, verhakte sich aber auf halbem Weg.
Lisa packte von außen zu und sorgte für den nötigen Schwung, um die Luke ganz
zu öffnen. Die zum Vorschein kommende Swissair -Stewardess lächelte sie
erschöpft, aber dankbar an und grüßte mit einem starken französischen Akzent.
Lisa erwiderte den Gruß flüchtig und betrachtete so aufmerksam und unauffällig
wie möglich die Passagiere, die ungeduldig dem Ausgang zustrebten. Es waren ausnahmslos
Geschäftsreisende.
    Als der Südamerikaner erschien, sprach Lisa ihn freundlich, mit
einem unverbindlichen Lächeln in akzentfreiem Englisch an.
    »How are you, Sir?«
    Der Mann war dunkelhäutig, rundlich und nicht besonders groß. Lisa
vermutete, dass er sein Geld durch den Handel mit illegalen Drogen verdiente.
Er reagierte mit einem schnellen Kopfnicken, das von einem verschmitzten
Grinsen begleitet wurde, welches auf Lisa einfältig wirkte und ihr den Mann
augenblicklich unsympathisch machte. Sie hatte zudem den Eindruck, dass er sie tatsächlich
für eine Angestellte einer Fluggesellschaft hielt, und das ärgerte sie.
    Zusammen mit den anderen Passagieren durchquerten Lisa und ihr
Begleiter den Anlegerfinger. In der Gepäckabfertigungshalle schritten sie
geradewegs auf eine unauffällige Tür zu, die Lisa mit einem der beiden
Schlüssel aus dem Aluminium-Koffer öffnete.
    Wortlos durchquerten sie einen tunnelartigen, nur spärlich beleuchteten
Gang. Dicke, eingestaubte Heizungsrohre liefen an der Wand entlang und
strahlten eine unangenehm trockene Wärme ab. Sie gingen mehrere steile Treppen
hinab. Nach einem fünfminütigen Fußmarsch blieb Lisa an einer Gabelung stehen,
um sich zu orientieren. Seit mehr als einem halben Jahr war sie nicht mehr so
tief in den Eingeweiden des Flughafens gewesen. Sie entschied sich für den
größeren der beiden Tunnel und entdeckte zu ihrer Erleichterung 300 Meter
weiter den gesuchten Ausgang.
    Sie stiegen eine schmale Metalltreppe hinauf. Lisas Begleiter war
so dicht hinter ihr, als hätte er sichergehen wollen, dass sie keinen
Fluchtversuch unternahm. Angewidert verzog Lisa das Gesicht. Wie absurd das
alles war! Mit dem zweiten Schlüssel öffnete sie eine Stahltür, auf der groß
und deutlich FÜR UNBEFUGTE ZUTRITT VERBOTEN! stand. Sie befanden sich jetzt in
einem nur wenige Quadratmeter großen Zwischenraum, der das Tunnel-Versorgungs-System
mit der Passagierhalle verband.
    Lisa atmete innerlich auf, als sie wieder in dem lebhaften Flughafengeschehen
standen, beschallt von dem unablässigen Gemurmel der vielen Reisenden, dem Geräusch
ihrer eiligen Schritte und den unverständlichen, blechern

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