Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
Rückens. Michael
Gromek steckte sein Telefon wieder ein. Seitdem er sich in dem Krankenzimmer
aufhielt, hatte er Lisa keine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Und in
diesem Moment sah er keinen Grund, sie nicht weiterhin aufmerksam zu
beobachten.
    Nachdem Lisa gewählt hatte, lehnte sie sich wieder gegen ihr
Kissen und zog die Bettdecke bis unter das Kinn. Sie vermied es, auch nur in
Gromeks Richtung zu sehen. Nervös spielten Daumen und Mittelfinger ihrer linken
Hand mit dem Telefonkabel.
    In Lisas Hörer läutete es schon das dritte Mal. Ihre Unruhe wuchs
mit jedem Klingelzeichen. »Im Wohnzimmer sind sie jedenfalls nicht«, dachte sie
und versuchte, logische Gründe dafür zu finden, warum keines der Kinder an den
Apparat kam. Wahrscheinlich waren sie in ihren Zimmern. Dann würde Daniel
frühestens beim vierten Klingeln das Telefon erreichen und den Hörer abnehmen
können. Käme Julia zum Telefon, würde sie noch länger brauchen. Erfahrungsgemäß
fünf, sechs Mal. Plötzlich klickte es in der Leitung. Zuerst dachte sie, der
Anrufbeantworter sei angesprungen. Sie presste den Telefonhörer an ihr Ohr und
lauschte.
    »Hier spricht Julia Delius. Wer ist da?« zwitscherte es Lisa
atemlos entgegen.
    »Schatz, bist Du es? Geht es Dir gut? Ist alles in Ordnung bei
euch?« Lisa musste sich bremsen, um ihre Tochter nicht zu überfordern oder gar
zu ängstigen.
    Mit einem Schlag wich ein Großteil der Spannung aus Lisas Körper
und ließ sie matt in ihr Kissen sacken. Doch dieser Zustand währte nicht lange.
Keine Sekunde lang zweifelte sie daran, dass Gromeks Anwesenheit für sie nur
eines bedeuten konnte: Gefahr, wahrscheinlich sogar Lebensgefahr.
    Während ihr Julia munter ins Ohr plapperte und in allen Einzelheiten
von den Neuigkeiten des Tages berichtete, schaute Lisa Gromek zum ersten Mal
offen an. Was sie sah, war ihr nicht unsympathisch. Aber natürlich wusste
Lisa, dass der Teufel ein Eichhörnchen sein kann. Im ersten Augenblick sprach
es zwar für Gromek, das ihre Kinder wohlauf waren, aber dennoch würde sie auf
der Hut bleiben müssen. Einem Mann wie ihm durfte sie auf keinen Fall vertrauen,
wenn sie am Leben bleiben wollte.
    »Julia, mein Engel, ich bin etwas in Eile. Sei mir nicht böse,
aber gib mir doch jetzt mal deinen Bruder, ja?«
    »Der ist auf dem Klo, der Blödmann. Schon seit mehr als zehn
Minuten. Dabei muss ich auch mal dringend.«
    »Sprich nicht so über deinen Bruder, Julia! Und macht keine
Dummheiten, solange ich nicht da bin. Ich werde sehen, dass ich so bald wie
möglich nach Hause komme. Dann kannst Du mir die Geschichte zu Ende erzählen,
die Frau Müller-Kaltenbach euch im Unterricht vorgelesen hat. Einverstanden?«
    »Einverstanden. Bis nachher, Mami.«
    »Bis nachher, mein Schatz.«
    Nachdenklich legte Lisa den Hörer zurück auf die Gabel. »Falls es
überhaupt ein Nachher gibt«, dachte sie. Trotz hochgezogener Bettdecke war es
ihr plötzlich unangenehm, Gromek nur mit einem dünnen Krankenhaushemd
bekleidet gegenüberzusitzen. Obwohl dieser nichts tat als ruhig auf seinem
Stuhl zu sitzen und sie dabei ungeniert zu studieren, fühlte Lisa sich von
seiner Gegenwart bedroht. Die Tatsache, dass Michael Gromek keinerlei Anstalten
machte, seine offensichtliche Überlegenheit gegen sie auszuspielen, änderte
daran nichts.
    »Geht es Ihnen jetzt besser?« erkundigte er sich ohne erkennbare
Emotion in seiner Stimme. Er hatte dieser Frau etwas Wichtiges mitzuteilen. Nur
deshalb wartete er geduldig ab, bis sie in der Lage sein würde, ihm
einigermaßen konzentriert zuzuhören.
    Lisa beantwortete seine Frage nicht. Ihr Kopf schmerzte noch
immer, und der Rest ihres Körpers fühlte sich nicht viel besser an.
    »Also, was wollen Sie von mir? Abgesehen davon, dass Sie eventuell
doch vorhaben, mich zu liquidieren.«
    Gromek überging ihre bittere Bemerkung und holte sein Diktiergerät
hervor. Wie ein Psychologe, der eine Sitzung mit einem Patienten abhielt,
achtete er darauf, sich völlig zurückzunehmen und sein Gegenüber nicht zu
beeinflussen. Er beugte sich nach vorn, behielt den Recorder in der Hand und
drückte auf Wiedergabe.
    »Direktor von Eckersdorff ...? Hier Kilar - ... - Es gibt
Schwierigkeiten - ... - Gromek, richtig. Wahrscheinlich weiß er, dass es sich
um unsere eigenen Leute handelt - ... - Keine Ahnung, wie er das so schnell
herausgefunden hat - ... - Ich weiß, Sie favorisieren die Delius, aber nach
Gromeks Entdeckung - ... - Also gut. Es bleibt dabei. Auf

Weitere Kostenlose Bücher