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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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in einem ruhigeren Teil des
Viertels brachte Holtz seinen Wagen zum Stehen. Er nahm den Aluminium-Koffer
vom Beifahrersitz und verschwand in dem mehrstöckigen Gebäude, dessen Eingang
notdürftig von einer mannshohen, völlig verrosteten Wellblechplatte versperrt
wurde.
     
    Es war inzwischen kurz vor 15.00 Uhr. Keine Stunde, nachdem
Oberarzt Dr. Helmut Weyhrauch sein kleines Referat über Lisas
Allgemeinzustand aus dem Ärmel geschüttelt hatte, waren sie und Michael Gromek
auch schon wieder aus dem Bellevue-Krankenhaus verschwunden.
    Um einen Alarm zu vermeiden, hatte Gromek kurzerhand Lisas
Überwachungsmonitor ausgeschaltet, was nicht komplizierter war als das
Abschalten eines Fernsehers. Während er auf dem Gang wartete, entfernte Lisa
die drei an ihrem Körper befestigten Herzfrequenz-Elektroden, außerdem den
Temperaturfühler, die Blutdruck-Manschette und den Fingerhut zur Messung der
Sauerstoffsättigung. Nachdem sie ihre Kleidung aus dem Patientenschrank geholt
und das Flügelhemd endlich wieder gegen Jeans und Bluse ausgetauscht hatte,
trat Lisa ebenfalls auf den Flur. Erst dort bemerkte sie, dass sie noch etwas
unsicher auf den Beinen war. Ihre Knie fühlten sich an wie nach allen
Richtungen verformbarer Schaumgummi. Doch als ihr Gromek seinen rechten Arm
entgegenhielt, übersah sie diese Geste ganz bewusst.
    Von Lisas Selbstentlassung hatten weder Schwester Karin noch ihre
Kolleginnen etwas bemerkt, da sich, wie jeden Tag um diese Zeit, das gesamte
Stationspersonal zur Patientenübergabe an die nächste Schicht im Dienstzimmer
versammelt hatte.
    »Na, wie fühlen Sie sich? Sind Sie wieder einsatzbereit?« fragte
Gromek, während er seinen BMW vom Parkplatz des Krankenhauses steuerte.
    »Eher urlaubsreif.«
    »Wann hatten Sie Ihren letzten Urlaub?«
    Lisa war ganz und gar nicht dazu aufgelegt, höfliche Konversation
zu betreiben. Immerhin saß sie neben einem Mann, der den Auftrag hatte, sie zu
töten. Es konnte sein, dass er sie nur aus einer Laune heraus am Leben ließ.
Oder man würde Druck auf ihn ausüben. Dann wäre er gezwungen, sie früher oder
später doch zu liquidieren. Lisa beschloss, das Spiel erst einmal mitzuspielen.
Ohne Waffe hatte sie im Augenblick ohnehin keine andere Wahl.
    »Urlaub? Ich weiß kaum noch, was das ist. Wann waren Sie das
letzte Mal weg, wenn ich fragen darf?«
    »Vor sechs Wochen. Auf den Komoren.«
    »Auf den Komoren? Ich wusste gar nicht, dass man da Urlaub machen
kann.«
    »Naja. Es war auch kein richtiger Urlaub, wenn ich ehrlich sein
soll.«
    »Waren Sie da, um einen Auftrag zu erledigen?«
    »Einen Routineauftrag, der nach ein paar Tagen abgeschlossen war.
Den Rest der Zeit konnte ich mich erholen.«
    Michael Gromek war froh, dass Lisa bereit war, sich mit ihm zu
unterhalten. Wenn sie gemeinsam aus der Falle entkommen wollten, die man ihnen
gestellt hatte, dann mussten sie innerhalb kürzester Zeit ein Team werden. Das
würde nur funktionieren, wenn er ein Minimum an Vertrauen und im Idealfall auch
Sympathie zwischen ihnen beiden aufbauen konnte. Miteinander zu reden und etwas
aus dem eigenen Leben zu erzählen war da sicherlich die beste und effektivste
Methode, die ihm zur Verfügung stand. Wenn nicht überhaupt die einzige
Möglichkeit, die er hatte, um in dieser kurzen Zeit an Lisa-Marie Delius
heranzukommen.
    »Fahren wir zuerst zu Alexander Holtz oder zu Bedri Rugova? Wer
sind die beiden eigentlich? Haben Sie Informationen?« wollte Lisa mit ernsthaftem
Interesse wissen.
    »Erst zu Holtz«, antwortete Gromek bestimmt. »Erinnern Sie sich an
München '72, die Olympischen Sommerspiele? Alexander Holtz war einer der
Scharfschützen, die auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck auf die
arabischen Terroristen angesetzt worden waren. Damals sind wir uns das erste
Mal begegnet. Was diesen Rugova angeht - über den weiß ich so gut wie nichts.
Nur, dass er Albaner sein soll. Das ist alles.«
    Nach einem längeren Moment der Stille riskierte Gromek einen Blick
in Lisas Richtung. An der Siegessäule vorbei, fuhr er mit seinem Wagen durch
den dichten, aggressiven Straßenverkehr Richtung Neukölln.
    »Was haben Sie? Worüber denken Sie so angestrengt nach?«
    »Sie sagten ... arabische Terroristen. Ich musste gerade an David
denken - meinen ersten Mann. Er war Israeli, damals Verbindungsoffizier für die
deutschen Geheimdienste beim Mossad, und wurde hier in Deutschland von Arabern getötet.
Auch wenn in dem Untersuchungsbericht kein Wort über Araber nachzulesen

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