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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Mädchen nur stumm mit dem Kopf. Keines fand ihre Gnade.
    »Das Regal ist bald leer«, bemerkte Gromek. »Was gefällt Dir denn
an den Hemden nicht?«
    »Sie haben keine Muster.«
    »Du findest Hemden ohne Muster wohl ziemlich langweilig, stimmt's?
Kann ich verstehen. Aber genau so ein Hemd muss ich leider tragen.«
    »Muss das sein? Kannst Du dann nicht wenigstens eine gemusterte
Krawatte tragen?«
    »Na klar«, beschwichtigte Gromek. »Kann ich. Und weißt Du was«,
schlug er vor, »Du suchst mir eine aus. Und egal, welche es ist, ich trage sie heute.
Den ganzen Tag lang. Versprochen.«
    »Ganz wirklich versprochen?«
    »Wirklich versprochen«, bestätigte Gromek leichtsinnigerweise.
    Zielsicher griff Julia in das Bündel Krawatten, die zu mehreren
Dutzend auf einem dünnen Bügel an der Innenseite der nächsten Schranktür
hingen. Sie zog eine Krawatte heraus und reichte sie Gromek mit einer Geste,
die ihm unmissverständlich klarmachen sollte, dass er dieses Versprechen halten
musste: »Hier«, kommentierte sie knapp.
    Gromek nahm die Krawatte entgegen. Er betrachtete das Muster. Es
bestand aus joggenden grünen Dinosauriern, die ihre Mäuler aufrissen und
brüllten. »Immerhin«, dachte Gromek, »die Grundfarbe ist Grau.«
    Laut sagte er: »Du stehst auf Dinos, kann das sein?«
    Julia grinste und nickte heftig mit dem Kopf.
    »Nette Krawatte«, bemerkte Lisa und unterdrückte ein Lachen, als
Julia mit Gromek die Küche betrat.
    Daniel, der am Frühstückstisch saß, wo er mit einem Brötchen und
einer Scheibe Schinken hantierte, drehte sich um. Teilnahmslos betrachtete er
das Ding um Gromeks Hals: »Vati hat sie kein einziges Mal getragen. Außerdem
gab es damals ziemlichen Ärger, als wir sie ihm mitgebracht haben.«
    »So schlimm ist sie doch gar nicht. Nein, wirklich. Ich glaube,
ich nenne sie Julia und werde sie von jetzt ab ständig tragen«, verkündete
Gromek mit todernster Stimme.
    »Man kann doch einer Krawatte keinen Namen geben!« Julia wusste
nicht, ob sie lachen oder Gromek für einen Spinner halten sollte.
    »Das war doch nur ein Scherz, Du Blödian«, belehrte sie Daniel. Es
war nicht zu übersehen, dass er eifersüchtig auf seine Schwester war. Sie hatte
mit Leichtigkeit Kontakt zu Gromek gefunden, er noch nicht.
    »Und Du bist ein Schweinepopo-Fresser!«, verteidigte sich das
Mädchen.
    »Julia!« mahnte Lisa prompt. »Schluss jetzt. Das gilt auch für
dich, Daniel«, setzte sie nach, als sie den schadenfrohen Blick ihres Sohnes in
Richtung seiner Schwester bemerkte. Das Benehmen ihrer Kinder war ihr vor
Gromek schlicht und einfach peinlich. Doch der schien keine Notiz davon zu
nehmen.
    In Wahrheit hatte ihr Gast Mühe, nicht laut über die Wortkreation
der kleinen Julia zu lachen, doch das konnte Lisa nicht sehen. Bevor er sich an
den reichgedeckten Frühstückstisch setzte, beugte Gromek sich über den
Geschirrspüler und warf einen langen, kritischen Blick aus dem mit bunten,
selbstgebastelten Papiervögeln verzierten Fenster. In der Straße entdeckte er
zu seiner Zufriedenheit nichts Verdächtiges. Wilmersdorf war, wie schon in der
Nacht zuvor, ein Ort der Ruhe und Beschaulichkeit. Mit Genugtuung registrierte
Gromek zudem, während er auf seinen Platz zusteuerte, dass neben der Küchentür
die von Lisas Kindern gepackten Koffer standen. Bis jetzt lief alles genau so,
wie er es sich vorgestellt hatte.
    Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Lisa sein Tun, während sie
gleichzeitig Tee und Kaffee einschenkte. Ihr war klar, dass er sich so
verhalten musste. Sie beide mussten auf alles gefasst sein. Schließlich war es
nur eine Frage der Zeit, bis man in der Sektion-4 -Zentrale
dahinterkommen würde, dass sie sich entgegen ihren Anweisungen zusammengetan
hatten. Der Zwischenfall in Alexander Holtz' Wohnung war der schwache Punkt an
der Sache. Sicher waren dort Spuren zurückgeblieben, die sie in der Eile nicht
mehr hatten beseitigen können. Aber vielleicht, versuchte Lisa sich selber zu
beschwichtigen, hatten sie ja auch Glück und niemandem war bisher etwas
aufgefallen. Jedenfalls wollte sie auf keinen Fall, dass ihre Kinder von
alledem irgendetwas bemerkten und dadurch Angst bekamen.
    »Gut, dass heute ein schulfreier Samstag ist«, streute sie
beiläufig ein. »Da verpasst ihr nichts im Unterricht.«
    »Ich wäre heute gern in die Schule gegangen«, plapperte Julia.
Dabei sah sie ihren Bruder an und verzog das Gesicht zu einer frechen Grimasse,
indem sie die Augen nach innen rollte, ihre

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