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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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sprang aus der Wohnung. Schmerzhaft
bohrte sich das Holz der Tür in ihre Rippen, während er auf sie heruntersah und
ein doppelläufiges Gewehr durchlud ...
    Energisch schob sie die imaginären Bilder beiseite und begann, den
Spion im oberen Drittel von Bedri Rugovas Tür zu fixieren. Er würde das Fenster
in diese unbekannte Wohnung sein und ihr Geheimnis enthüllen. Als sie am bewussten
Türrahmen angelangt war, machte sie sich langsam und vorsichtig daran, das
äußere Schutzglas des Spions abzumontieren.
     
    In Rugovas Appartement war von der Manipulation am Tür-Spion
nichts zu hören. Das Glasauge glotzte so stumm und unbeteiligt wie zuvor.
    Rechts und links von der Wohnungstür pressten sich je zwei bewaffnete
und maskierte SEK-Beamte gegen die Wand, von der sie erst vor einer guten
Stunde eine Handvoll gerahmter Kunstdrucke abgenommen hatten, bereit für den
Einsatz. Weitere fünf Beamte hatten sich hinter ihnen verteilt. Das komplette
Kommando war auf einen einzigen Punkt konzentriert: die Wohnungstür.
     
    Lisa hatte das Schutzglas entfernt und legte es auf den Boden. Geschickt
löste sie die Miniaturkamera aus der Arretierung und führte die Frontlinse,
deren Durchmesser nur wenige Millimeter betrug, an die freigelegte Öffnung.
Dabei bewegte sie sich so langsam wie eine Astronautin, die im luftleeren Raum
mit einer Außenreparatur an ihrem Raumschiff beschäftigt war.
     
    Mit angespannter Kiefermuskulatur saß Gromek vor seinem Laptop und
versuchte sich vorzustellen, welche Handgriffe Lisa gerade tat.
    »Sie machen das gut, Lisa«, murmelte er - beinahe, ohne dass es
ihm bewusst war. »Weiter so!«
     
    Dann geschah das Unerwartete: Plötzlich öffnete sich die gegenüberliegende
Wohnungstür. Ein auffallend muskulös gebauter Mann erschien im Rahmen. Er war
mindestens ein Meter neunzig groß und duftete nach einem männlich-herben
Duschgel, welches er erst vor wenigen Minuten benutzt haben musste. Er war ein
Mann, der sich der Aufmerksamkeit und Bewunderung seiner weiblichen Umgebung
sicher sein durfte - zumindest seiner Meinung nach. Und er wollte den
Anforderungen, die diese Position an ihn stellte, um jeden Preis gerecht
werden. Bekleidet mit nichts als einem knappen Handtuch und ohne Lisa zu
bemerken, bückte er sich in den Flur und griff nach einem Paar Turnschuhe, das
ordentlich unterhalb des Klingelknopfes stand. Als er sie erblickte, schien er
die Schuhe auf der Stelle vergessen zu haben. Mit einem süffisanten Grinsen
begutachtete er den reizenden Apfel, von dem er annahm, dass er ihm innerhalb
kürzester Zeit in den Schoß fallen würde.
    »Na, Schätzchen«, begann er lässig, »haben wir heute schon gefrühstückt?«
    Dieses gutgebaute Exemplar von einem Mann besaß nur einen Fehler -
es war kurzsichtig. So entging ihm ein wichtiges Detail.
    Bei dem ersten Geräusch in ihrem Rücken war Lisa herumgefahren und
hatte ihre Waffe auf den Fremden gerichtet, noch ehe sie ihn genau erkennen
konnte. Durch die heftige Bewegung war ihre Sprecheinheit verrutscht. Hatte man
sie bereits umzingelt? Sollte es erforderlich sein, würde sie abdrücken, das
stand außer Zweifel für sie.
    All ihre Skrupel und die Unsicherheit der letzten Jahre waren auf
einmal wie weggeblasen. Sie kam wieder dem nahe, was sie früher gedacht und
gefühlt hatte - vor langer Zeit, als sie noch eine Killerin gewesen war.
    Die Mark 23 nun deutlich vor Augen, stolperte der Bodybuilder
bleich vor Schreck in seine vier Wände zurück. Inzwischen hatte er nicht nur
die Fassung, sondern auch Schuhe und Handtuch verloren. Mit einem deutlich
vernehmbaren Klicken fiel seine Wohnungstür ins Schloss. Kein ungewöhnliches
Geräusch in einem Mietshaus - dennoch wurden die SEK-Beamten in der
gegenüberliegenden Wohnung darauf aufmerksam.
     
    Einer der beiden Beamten, die direkt neben der Tür standen, beugte
sich auf ein Handzeichen seines Gruppenführers hin langsam nach vorn. Ebenso
langsam bewegte er den Kopf zum Tür-Spion und lugte mit einem Auge hindurch.
Währenddessen wich sein Partner synchron zurück, legte an und richtete seine
Maschinenpistole auf eine imaginäre Person hinter der Tür. Ohne es zu ahnen,
blickte der SEK-Beamte direkt in die Linse von Lisas Miniatur-Kamera.
     
    Gromek traute seinen Augen nicht, als er den Einsatzbeamten auf
seinem Bildschirm erkannte. »Lisa!« seine Stimme war laut und heiser. »Weg da!
Komm sofort raus aus dem Haus!«
     
    Lisa, von Rugovas Nachbarn abgelenkt, musste sich erst

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