Gromek - Die Moral des Toetens
noch eine Chance?! Würden sie den
Tentakeln dieses Kraken entkommen und den einen verrotteten Arm kappen können,
der ihnen nach dem Leben trachtete? Lisa hatte ihre Zweifel.
»Perfekt!« bemerkte Gromek zufrieden und blickte von seinem Laptop
auf, um nachzusehen, wo sie sich zurzeit befanden. Auf der Gegenfahrbahn
erblickte er die ersten Urlauber aus Sachsen und Thüringen, wo die Schulferien
heute begannen. Mit Surfboard und gepackten Koffern auf dem Dachgepäckträger
rauschten sie an ihnen vorbei. Er nahm das Mobiltelefon zur Hand, welches er
wieder an den tragbaren Computer angeschlossen hatte, und wählte eine Nummer.
»Glauben Sie, es funktioniert?«
»Wenn man einen Menschen datentechnisch verschwinden lassen kann«,
antwortete Gromek, »warum dann nicht auch ein Auto?«
Auf einer Ebene der Tiefgarage des BodenGrund-Hochhauses, die den
Mitarbeitern der Sektion-4 vorbehalten war, bestiegen die neun Angehörigen
des SEK zwei dunkelgrüne Kleinbusse. Der von Viktor Kilar abgekanzelte
Gruppenführer trieb seine Leute zur Eile an: »Beeilung! Beeilung! Volles
Programm heute!«
Langsam, fast wie ferngesteuert, setzten sich die Busse in Bewegung.
Sie fuhren dicht hintereinander, als hielte ein Abschleppseil sie zusammen. Die
kärgliche Neonbeleuchtung spiegelte sich in den breiten Windschutzscheiben der
Busse wider und ließ die behelmten Fahrer und ihre Beifahrer nur schemenhaft
erkennen.
Vor einem schweren Gittertor, das durch ein weiteres Tor aus
Stahlbeton abgesichert war, blieben die beiden Fahrzeuge stehen. Eine auf
Augenhöhe des ersten Fahrers angebrachte Ampel zeigte rot. Ein plötzliches
Erzittern der stählernen Lamellen, das von einem dumpfen Rumpeln begleitet
wurde, kündigte an, dass die Ampel jeden Moment umschalten würde. Nachdem das
Gittertor, ähnlich dem einer mittelalterlichen Festung, nach oben gefahren und
deutlich vernehmbar eingerastet war, öffnete sich schwerfällig das zweite Tor.
Die Ampel sprang auf grün. Das Kommando setzte sich erneut in Bewegung und
verschwand im gleißend hellen Sonnenlicht, das den Bussen von außen entgegen flutete.
Zufrieden schaltete Gromek den Laptop aus, klappte ihn zu und zog
ein Verbindungskabel aus der Unterseite seines Mobiltelefons. Dann wandte er
sich Lisa zu.
»Wie ist deine Nummer? Ich möchte überprüfen, ob alles in Ordnung
ist.«
Lisa schaute ihren Begleiter skeptisch an. Das ›Du‹ hatte sich im
Laufe des Tages zwischen ihnen eingeschlichen, und sie wusste noch nicht, ob
ihr das wirklich gefiel. »Es ist eine Geheimnummer.«
Gromek tat beleidigt: »So ist das also - ich rette Dir das Leben,
und aus lauter Dankbarkeit verheimlichst Du mir deine Telefonnummer.«
Lisa verdrehte die Augen. Ihr war nicht nach dieser Art von
Scherzen zumute. Trotzdem streckte sie die Hand aus.
»Also gut, gib her.«
Während sie den Japaner mit der einen Hand durch den Verkehr
steuerte, tippte sie mit der anderen ihre Nummer ein und gab Gromek das Handy
zurück.
Der sah sie gespielt säuerlich an. Aber schon einen Moment später
verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in eine ernsthaft besorgte Miene, als er
eine automatische Ansage hörte, auf die er nicht gefasst gewesen war: »Der
Anschluss des von Ihnen gewünschten Gesprächsteilnehmers wurde abgemeldet. Für
weitere Auskünfte rufen Sie bitte unseren Kundenservice unter der Nummer ...«
Gromek hielt Lisa das Handy ans Ohr.
»Oh verdammt!« Verärgert wechselte sie die Spur, ohne auf den
polnischen Lastkraftwagen zu achten, den sie mit diesem Manöver fast von der
Straße gedrängt hätte.
Einer der beiden SEK-Busse näherte sich dem Hof des Gebrauchtwagenhändlers
im Bezirk Wedding. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieb der Wagen
bedrohlich unauffällig stehen. Niemand stieg aus. Nach einigen Minuten, in
denen nichts weiter geschah, setzte sich das Fahrzeug wieder in Bewegung,
schlich durch die Einfahrt auf den Hof und hielt direkt vor der Eingangstür des
Büroverschlags.
Die vier Beamten des Einsatzkommandos sprangen bewaffnet aus dem
Inneren des Busses und teilten sich in Zweierteams. Das erste postierte sich
vor der Bürotür und wartete, während das zweite zum Werkstattor eilte.
Binnen Sekunden brach das zweite Team mit einem Spezial-Schneider
das Schloss am Tor zur Werkstatt auf und schob das Roll-Tor nach oben. Zum
Vorschein kamen die durchlöcherte Corvette und, gleich daneben, Gromeks BMW .
Als es vom zweiten Team über Funk die Meldung
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