Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
Schwindel nicht doch
noch bemerkten: »So tun Sie doch was, Herr Wachtmeister!«
    Das eine Auge bürgerfreundlich auf Lisa gerichtet, mit dem anderen
streng das noch nicht als solches erkannte SEK-Kommando taxierend, nahm der
Ordnungshüter seine Dienstmütze zur Hand, die vor ihm auf dem Armaturenbrett
gelegen hatte. Er setzte sie korrekt auf, wobei er den Schirm ein paar
Millimeter tiefer in die Stirn zog als sonst. Sein Kollege nickte dem
vermeintlichen Ehepaar beruhigend zu. Mit der Anspielung auf gewalttätige
Jugendliche, die sich herumtrieben und anständige Bürger bedrohten, hatte Lisa
genau den richtigen Nerv getroffen.
    »Kein Grund zur Aufregung. Wir werden mal nachsehen, was da los
ist. Ach ja: Ihr linker Scheinwerfer ist defekt. Lassen Sie ihn möglichst bald
reparieren. Eine gute Fahrt wünsche ich noch.«
    Die freundliche Empfehlung ließ sich Lisa nicht zweimal geben.
Nach einem letzten, ebenso hübschen wie einfältigen Lächeln fuhr sie langsam
los und bog so unauffällig wie möglich um die nächste Ecke.
    Schnittig startete der Streifenpolizist, preschte mit seinem Wagen
auf das SEK-Kommando zu, winkte mit der Kelle und setzte sich schräg vor den
gerade anfahrenden dunkelgrünen Bus. Souverän gebot der Polizist, ohne es in
diesem Augenblick zu ahnen, den eigenen Kollegen, anzuhalten.
    Während der uniformierte Ordnungshüter steif und gewichtig aus
seinem Dienstwagen stieg und noch einmal den Sitz seiner Mütze überprüfte,
begann im Inneren des Kleinbusses ein Angehöriger des Kommandos zu toben: »Wenn
der uns hier nicht weiterfahren lässt, leg' ich den Kerl um! Ich mach' ihn
kalt!«
    Nur mit äußerster Mühe konnten ihn zwei seiner Kollegen davon
abhalten, seine Drohung auf der Stelle wahrzumachen.
     
    Lisa warf einen weiteren Blick in den Rückspiegel. Von ihren Verfolgern
war seit einigen Minuten nichts mehr zu sehen. Die wenigen Sekunden, die sie
durch die Streifenpolizisten gewonnen hatten, schienen tatsächlich genügt zu
haben, um dem SEK zu entkommen. Ernst richtete sie ihre Frisur. Auch Gromek
strich sich wortlos durchs Haar. Nur die Kinder waren bester Stimmung. Gerade
als Gromek seine Glock in das Holster zurückstecken wollte, legte Julia
ihre kleine Hand auf seine Schulter.
    »Das Spiel war toll. Das können wir ab jetzt öfters spielen,
Mami.«
    Auch Daniel war begeistert: »Das war echt geil, Mami!«
    Überrascht von ihren eigenen schauspielerischen Fähigkeiten, die
ihnen offensichtlich gerade das Leben gerettet hatten, sah Lisa ihren Sohn
streng im Rückspiegel an.
    »Mir wäre es recht, wenn ihr das für euch behalten würdet. Und
Daniel, sag' nicht andauernd dieses Wort! Wo hast Du das bloß wieder
aufgeschnappt?«
    »In der Schule«, zwitscherte Julia vorlaut dazwischen, »wo denn
sonst!?« Und zu Gromek gewandt fuhr sie fort: »Findest Du meine Mami geil?«
    Entsetzt sah Lisa sich nach ihrer Tochter um, doch beim Anblick
des glücklichen Kindergesichts wandelte sich ihre eben noch unerträgliche
Anspannung in schallendes Gelächter.
    Auch Gromek konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
     
    Lisa parkte den Japaner vor der Charité im Ostteil der Stadt, in
der Nähe des Eingangs Schumannstraße. Auf dem vollbesetzten Parkplatz der
traditionsreichen Universitätsklinik stieg sie mit Gromek und den Kindern aus.
    Alle vier streckten sich und waren froh, nicht mehr in dem rostigen
Vehikel sitzen zu müssen. Wie selbstverständlich griff Gromek nach Julias Hand,
während Daniel ohne aufzumucken seiner Mutter erlaubte, mit ihm dasselbe zu
tun.
    »Ich möchte lieber bei euch mitfahren«, verkündete Julia offenherzig.
»Das ist viel spannender und lustiger als bei Vati. Der hat jetzt bestimmt
keine Zeit für uns.«
    »Genau. Wie immer«, pflichtete ihr demotivierter Bruder ihr bei.
    Gromek und Lisa wechselten einen Blick. Auf der Fahrt zum
Krankenhaus hatten sie ihr weiteres Vorgehen aus Rücksicht auf die Kinder nur
stichwortartig besprechen können. Nun warteten beide auf den Zeitpunkt, an dem
sie die Einzelheiten ihres noch vagen Planes durchgehen und schließlich umsetzen
konnten. Falls das überhaupt möglich sein würde.
    In der modern eingerichteten Notaufnahme der Charité war wenig
Betrieb. Zwei Schwesternschülerinnen saßen auf den Besuchersitzen neben dem
Eingang und unterhielten sich lebhaft über ihre Urlaubspläne. Aus einem der
Fahrstühle kam ein stirnrunzelnder Arzt im weißen Kittel geschossen, der den
Anschein erweckte, permanent im Stress zu sein, selbst

Weitere Kostenlose Bücher