Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
wenn es offensichtlich
nichts zu tun gab.
    Es war Lisas Mann.
    Dr. Emanuel-Reinhardt Delius war Oberarzt der Notaufnahme und der
festen Überzeugung, bei der letzten Chefarzt-Wahl übergangen worden zu sein. Da
er erst 39 Jahre alt war, wäre er im Falle seiner Ernennung jüngster Chefarzt
in der fast 300-jährigen Geschichte des Krankenhauses geworden. Doch zu seinem
großen Missfallen hatte nicht er dieses Privileg verliehen bekommen, sondern
ein lächerliche zwei Jahre älterer Pädiater.
    Die Wiedersehensfreude von Julia und Daniel hielt sich in Grenzen,
als sich ihr Vater zu ihnen herunterbeugte und beiden jeweils exakt eine
Sekunde lang die linke Wange tätschelte. Launisch versuchte Julia, den
halbherzigen Annäherungsversuch ihres Vaters mit einem Kopfschütteln
abzuwehren. Dabei sah sie sich hilfesuchend nach Gromek um. Der stand
inzwischen an einem öffentlichen Fernsprecher in der Eingangshalle und
telefonierte.
    Gereizt wandte sich Emanuel Delius an seine Frau, die in gerade
dem Abstand neben ihren Kindern stand, der ihm signalisierte, dass sie
keinerlei Wert auf eine wie auch immer geartete Begrüßungsgeste von ihm legte:
»Herrgott, Lisa! Ich habe alle Hände voll zu tun. Du kannst doch nicht einfach
kommen, wann es Dir passt, und, und ...«
    Lisa kannte diesen Sermon bereits zur Genüge.
    »Und was?« fragte sie herausfordernd.
    Gromek hatte in der Zwischenzeit sein Gespräch beendet. Die
einzige Chance, die ihnen vielleicht noch blieb, um ihr Leben zu retten, sah er
in einem vertraulichen Gespräch mit keinem Geringeren als dem Innenminister
der Bundesrepublik Deutschland selbst. Als oberster Dienstherr von Sektion-4 war er der einzige, der dafür sorgen konnte, dass Sektion-4 -Direktor
Herrmann von Eckersdorff und seinem Abteilungsleiter Viktor Kilar das Handwerk
gelegt wurde. Wie er und Lisa es aber anstellen sollten, den Politiker
überhaupt zu einem solchen Gespräch zu bewegen, war ihm zu diesem Zeitpunkt
noch ein völliges Rätsel.
    Immerhin hatte er innerhalb weniger Minuten herausfinden können,
wo sich Bundesinnenminister Dr. Hubertus Steinhammer an diesem Abend aufhalten
würde: In einem Herrenhaus irgendwo in der brandenburgischen Gemarkung sollte
an diesem Abend anlässlich einer Ordensverleihung eine Gesellschaft
stattfinden, an der der Minister teilnehmen würde. Dort würden Bürger
ausgezeichnet werden, die im vergangenen Jahr durch ihre Zivilcourage auf sich
aufmerksam gemacht hatten.
    Gromek gesellte sich wieder zu Lisa. Er wusste, dass sie sich mit
ihrem Mann nicht besonders gut verstand, und es war ihm vollkommen
gleichgültig. Nach einigen Augenblicken mischte er sich in das Gespräch mit
ihrem Ehemann ein: »Ich störe nur ungern die traute Zweisamkeit, aber wir müssen
so schnell wie möglich fahren, Lisa. Anderenfalls verpassen wir den
Innenminister. Die Veranstaltung, auf der wir ihn heute Abend treffen können,
beginnt in ziemlich genau zwei Stunden.«
    Oberarzt Dr. Emanuel-Reinhardt Delius fiel aus allen Wolken.
Hysterisch erkundigte er sich: »Ich höre wohl nicht recht! Wer ist denn das
bitte, wenn ich fragen darf?! Und was hat der Innenminister damit zu tun? Das
kann ja wohl nur ein schlechter Scherz sein! Wieso trägt er meine Krawatte? Und
... und ist das nicht auch mein Anzug?!«
    Gromek streckte Lisas Mann höflich die Hand entgegen: »Hübsch,
nicht? Das Ding hat Julia mir angedreht. Sie steht nämlich zurzeit auf
Dinosaurier, müssen Sie wissen. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist ...«
    »Nein, dürfen Sie nicht!« entfuhr es Dr. Delius. Seine Augen
funkelten. »Also, Lisa, ich warte auf eine Erklärung! Wer ist das?«
    Unbeteiligt äußerte Gromek: »Ich warte dann besser im Wagen.«
    Wie aus der Pistole geschossen und ohne den Blick von ihrem Mann
abzuwenden, antwortete Lisa: »Du bleibst hier. Ich bin gleich fertig.«
    Jetzt kam Dr. Emanuel-Reinhardt Delius erst richtig in Fahrt:
»Du bist gleich fertig? Und womit, wenn ich fragen darf, bist Du gleich
fertig?«
    Je mehr sich ihr Mann aufregte und den hintergangenen Ehemann
herauskehrte, desto ruhiger wurde Lisa. Verächtlich schleuderte sie ihm
entgegen: »Mit Dir bin ich gleich fertig, Du ... Du egoistischer, gefühlloser,
karrieregeiler Schweinepriester!«
    Trotz ihrer ausdrücklichen Aufforderung zum Bleiben trat Gromek
zunächst den Rückzug an. Mit einigen zügigen Schritten ging er an den beiden
Schwesternschülerinnen vorbei, von denen die eine für zwei Wochen nach Paguera
auf Mallorca fliegen

Weitere Kostenlose Bücher