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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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erhoben, beroch er das Heckengehölz. Erst auf ihr herrisches Rufen hin folgte er.
    Etwas stimmte nicht mit dem Hund und etwas nicht mit den Kindern dort, mit diesem Mädchen nicht und mit ihrem Bruder nicht. Seit bald einem Jahr wohnten die Leute da, seit Ferienanfang stand im Vorgarten das Zelt, in dem der Sohn sich gern versteckt hielt. Verreist wurde nicht, stattdessen wurde gebaut, seit dem Einzug verändert und gebaut, in kurzen Phasen anfallartigen Eifers, gefolgt von solchen wochenlanger Untätigkeit. Ungenutzt verblieb so lange in dem seitlich des Hauses angebauten Verschlag die Ansammlung von Geräten und Baumaterialien, angebrochene Säcke von Zement, Farbeimer, Teleskopstäbe und Sprühdosen mit Lack und Silikon, gut sichtbar durch die freien Stellen der unten aufgekahlten Hecke. Einmal würde das entsorgt werden müssen. Stattdessen wurde immer noch neuer Unrat hinzugefügt, fand sich zwischen gestapelten Pressspanplatten, eingeklappten Gartenmöbeln, defekten Spielgeräten und Behältnissen immer noch ein Spalt oder Hohlraum, in dem ein rostiger Kugelgrill abgestellt werden konnte, ein Paar Gummischuhe, ein Kinderfahrrad. Oft für Tage, manchmal für Wochen herrschte dort Stillstand, ehe die unterbrochenen Arbeiten wieder aufgenommen wurden.
    Ein Schwimmbad planten die neuen Bewohner. In der Regel am späten Vormittag begann der Mann seine Arbeit, er grub und bohrte bis in den Abend hinein. Anders gehe es nicht, hatte er behauptet, angesprochen auf den Lärm der Maschinen. Die Steinplatten müssten aufgebrochen, die darunterliegende Betonschicht zuerst aufgerüttelt, dann abgetragen werden. Der Mann machte eine ungewisse Handbewegung, hinter sich deutend, auf die Fläche verbleibender Platten, den Schutt am Saum der angefangenen Grube. Sie war nicht sehr tief. In den Boden eingelassen sollte das Becken einmal sein, meterlang. Ich will, dass meine Familie einen Raum hat, sagte er und tupfte sich mit einem Hemdzipfel den Schweiß von der Stirn. Sein Sohn stand, Schritte hinter ihm, im Trikot der Nationalmannschaft auf eine Schaufel gestützt. Gerade eben alt genug, dem Vater zu helfen, war dieser Junge, und er tat es offenbar gern, jedenfalls mit Eifer. Er schippte die geborstenen Steine in eine Schubkarre und brachte sie hinter das Haus, zu dem täglich wachsenden Hügel Schutt. Eine einzige Art Äußerung kannte er, einen pfeifend hohen Ton, den er ausstieß vermutlich im Zustand von Erregung, einen dünnen, gedehnten Schrei. Schon hatte Schramm ihn im Ohr. Diesen kleinen fordernden oder klagenden Laut. Er ging nicht unter, selbst wenn sein Vater den Drucklufthammer in den Stein stieß, hämmerte und pochte in einem fort, so heftig, dass auch in Schramms Haus die Wände und Böden zu zittern begannen.
    Vorläufig war es still. Schramm konnte, wenn er den Kopf in den Nacken legte, hoch am Himmel in Fädchen gezauste Eisnadelwolken sehen, zuschauen, wie sie sich auflösten mit einem Zug, der herbstfeuchten Nebel aus den Gärten wischte. Dieser Tage war die Kirmes aufgebaut worden, das Riesenrad auf der gegenüberliegenden Hangseite und die blinkenden Fahrgeschäfte, abends weithin sichtbar. Und die Sprüche des Ansagers schmetterten über die abgeernteten Rapsfelder, den überkopfhoch stehenden Mais hinweg bis spät, wenn es vom Wald her modrig wehte, empfindliche Kühle durch gekippte, am Morgen beschlagene Fenster strich. Ausdauernd standen in den Gärten die Tabaks- und Studentenblumen; doch allerorten zeigten sich Zeichen des Abblühens. An den straff prangenden Hohen Flammenblumen, den vom Vater in den Vorgarten gesäten, sich Jahr für Jahr wieder selbst aussäenden Akeleien, am Rittersporn. Wie hingeweht, so zart und leicht standen die Blütentrauben von seinem Kopf. Nur die dünnen Zipfel der handförmigen Blätter bogen sich, an den Rändern gebräunt, zur Erde hin.
     
    Wie ein Muskel, hatte Waidschmidt gesagt, schon auf der Landheimfahrt, im achten Schuljahr, hatte er so dahergeredet: Ich trainiere meinen Willen wie einen Muskel. Noch nachts, als Schramm die Herbergsflure abgeschritten war, um nach dem Rechten zu sehen, hatte er diesen Ausspruch nicht aus dem Kopf bekommen. Aber bei einem wie Waidschmidt wusste man nie, ob er, was er sagte, ganz meinte, ob er es nur sagte, um sich etwas einzigartiger zu machen, wie er es mit seinen gebügelten Hemden, seiner Ledermappe tat. Nicht, ob er sie doch für wahr hielt, seine Zauberformeln vom Willen und dessen unbedingter Macht.
     
    Den

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