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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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Sie rauchte. Keine Antworten auf die an dieser Stelle doch notwendigen Fragen. Nur: Wieso er ihr überhaupt aufgelauert habe, bei den Tennisplätzen. Wir könnten Sie anzeigen, sagte sie und sah ihn an, zufrieden mit ihrem Einfall. Wir. Und es musste wohl schon gesagt werden, dass sie und Waidschmidt ein Paar geworden waren. Wie es kurz vor den Prüfungen häufig vorkam. Bald jedes Jahr konnte man dabei zusehen, wie die Achtzehnjährigen sich aneinanderschlossen, in einer flugs aufgeblasenen Gefühligkeit alle Hässlichkeiten vergaßen und Freunde wurden. Es war nichts Besonderes. Und für nichts Besonderes hatte Schramm es halten wollen, und nicht mehr an die eine ungute Ahnung denken, die aber, sooft er sie mit Erfolg fortgeschoben hatte, bald darauf erneut aufkam: Artur Waidschmidt hatte ihn angeschwärzt.
    In seinen Leistungen nachgelassen hatte Waidschmidt nicht, wenigstens nicht nennenswert. Das war es nicht gewesen, nicht die übliche Version der Geschichte, wo einer im kritischen Alter die Lust verliert. Ohnehin wäre Lust nicht das richtige Wort gewesen, zu beschreiben, was Waidschmidt trieb. Noch als er sich Freunde und endlich ein Mädchen zu suchen begann, ging er in seiner alten Art und Weise vor, mit diesem gleichen Beharren, ununterbrochen, fehlerlos. Und eigentlich, dachte Schramm, war es ihm nur darum nicht krankhaft erschienen, weil er es sich so gut zu erklären wusste.

T äglich eine gute Stunde, gelegentlich länger, trabte das Mädchen von nebenan durch den Wald. Seit nunmehr sechs Wochen konnte er zusehen, wie sie aufbrach in der Morgenkälte, in einem kurzen Höschen, Schenkel und Waden überzogen von einem verfrorenen Muster aus blauen Ringen. Mit ihr nur der Hund, der wahrscheinlich zu arglose, nicht sehr wachsame Hund. Es war bestimmt nicht gut. Bald ein Jahr, er rechnete, seit sie mit ihren Eltern, dem Bruder eingezogen war, in das Haus, das zuvor Schlaudts gehört, jahrelang leergestanden hatte. Mit Herrn Schlaudt war es schnell gegangen. Schon bevor sie ihn holten, war er nicht mehr bei sich gewesen, schon die letzten Male, die er auf der Straße noch gesehen worden war, mit diesem entsetzten Ausdruck in seinem Gesicht. Bis in die Nacht brannte in allen Räumen des Hauses das Licht, und im Giebelfenster stand ein Fernrohr. Schon seit dem Tod der Frau, hieß es, habe er stetig abgebaut. Das sei im Übrigen typisch. Auch Schramm hatte kürzlich erst gelesen über eine Studie, die belegte, dass die Geisteskräfte allein lebender Menschen doppelt so schnell verfallen wie diejenigen derer, die jemanden an ihrer Seite haben. Etwa in der dreifachen Geschwindigkeit nach einem ersatzlosen Verlust. Schramm hatte von solchen Erhebungen nie viel gehalten. Es gibt Dinge, die geschehen von allein. Es hat mit der inneren Substanz zu tun. Und wenn vermehrt Fälle festgestellt werden, in denen ein Mensch den Verstand verliert, der zugleich allein lebt, ein Kind klüger wird, weil es zu musizieren lernt, so ist damit nur ein Nebeneinander von Häufungen festgestellt, nicht aber ein Zusammenhang von Ursache und Wirkung belegt.
    Wegen des Terriers war die Umgebung aufmerksam geworden. Das Winseln von Schlaudts Terrier war schließlich bis auf die Straße hinaus zu vernehmen gewesen, daraufhin erst hatten Nachbarn die Meldung gemacht, dass der Mann nicht mehr beisammen sei.
    Woher die neuen Bewohner stammten, war nicht genau zu erfahren. Regelrecht ins Erzählen konnte die Frau zwar geraten, traf man durch einen Zufall aufeinander, doch ließ sie in ihrem Reden vieles Entscheidende aus. Schramm zögerte, wie er sie nennen sollte, für die Bezeichnung »Nachbarin« schien es nach wie vor zu früh. Als hätte ein Ansprechpartner lange gefehlt, hatte sie einmal auf ihn eingeredet, seither mied er sie. Vom Durchbruch durch die Trennwand zwischen Wohn- und Küchenbereich hatte sie gesprochen, von den geplanten Sichtschutzpalisaden für den Hintergarten, vom Sohn, der am Gymnasium nicht aufgenommen worden war. Manche hielten ihn für zurückgeblieben, doch hätte er vor allem angemessen gefördert werden müssen. Aber glauben Sie, uns sagt einer was. Das Mädchen, nicht einfacher. Fünfzehn und Sprachen immer ihr großes Plus. Auf ihren Rechen gestützt, hatte sie an Schramm vorbei in eine unbestimmte Weite geblickt. Sie war nicht geradezu hässlich, anmutig allerdings auch nicht. Das Haar trug sie lang, schlicht gescheitelt, wie es ihm eigentlich am liebsten war. Wahrscheinlich kümmerte sie sich nicht,

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