Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
Vom Netzwerk:
Übel. Gerade das Nötigste hatte er auf die Pflege des Gartens verwandt, so dass die ganze Anlage natürlich in einem schlimmen Zustand gewesen war. Es hatte sich nichts gebessert durch die Arbeitswut, die den Vater gelegentlich, erwartungsgemäß im Frühjahr, befallen hatte. Primeln kaufte er, Tabakblumen, Phlox und Akelei, wessen er eben habhaft wurde, säte und setzte er in Reihe in das aufgeworfene Beet, begoss und bedüngte es noch für ein, zwei Tage, ehe aller Eifer von ihm abfiel und er die weiteren Arbeiten der Mutter überließ. Das Setzen war ihm die Hauptarbeit, mit dem Setzen glaubte der Vater bereits alles geleistet zu haben. Nur die rasch sichtbare Veränderung, die offenbare Tat ertrug er, während er die kleinen täglichen Verrichtungen verabscheute; schon ihre Erwähnung versetzte ihn in schlechte Stimmung, ja Wut. Als müsste nicht jeder sich damit abfinden, dass im Garten wie überall das Leben sich täglich neu hervorbringt, zerfällt und sich hervorbringt und es auch für den Menschen kein Heraustreten gibt aus diesem immer gleichen Kreisen, kein Atemholen im Wachsen und Sterben, Blühen und Zerfall. Für den Menschen nicht, für den Vater nicht und sonst für keinen, doch der Vater hatte sich aufgeführt, als wäre das sein hochprivates, von ihm entdecktes Leid gewesen, als hätte außer ihm niemand ein Anrecht darauf gehabt. Nur den Rasen hatte er gern gemäht. Bald täglich schob er in den Sommermonaten die Maschine über den angegilbten, drahthaarigen Pelz. Kürzen, sagte er, Kürzen ist das Einzige, was hilft. Häufiger Schnitt fördert den Wuchs. Eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung. Doch wer hätte es ihm nehmen wollen, allabendlich den Rasen abzuschreiten, wie es alle Männer der Nachbarschaft taten, mit abgewinkelten Ellbogen, bloßen Oberkörpern. Das Gras wirbelte vor ihren Füßen empor, dass es eine Freude war. Man darf nicht glauben, der Vater hätte nicht wie jeder Mensch Dinge gehabt, die ihm lieb und teuer waren, nicht wie jeder Mensch eine Leidenschaft, die ihn treibt. Wie er auflebte, wenn es ans Reisen ging. Ganz leicht und luftig wurde er, wenn es Sommer war, er für wenigstens vierzehn Tage seine Geschäfte hinter sich lassen durfte. Ganz Bereitwilligkeit war er dann, unverdrossen reihte er das Auto ein in den nach Süden vorrückenden, die Alpen querenden Tross. Einen Tag und eine Nacht, bis man auf der anderen Seite der Berge herausgewühlt, am Zielort angelangt war. Und wie er mit ihnen tollte und tobte im seichten Meer. Mit beiden Händen patschte er ins Wasser, dass es spritzte und schäumte. Passt auf! jauchzte er, pumpte Luft in seine Brust, bevor er, die Arme zu Stromlinien vor den Kopf gestreckt, in die flachen Wellen glitt. Für Minuten verschwand er, gerade eben lang genug, dass man es schon mit der Angst bekommen konnte. Gerade eben dann, wenn sie anfingen, ernstlich zu glauben, es könne ihm etwas zugestoßen sein, den Horizont nach ihm absuchten, blind aufs unter senkrechter Sonne dösende Meer blinzelten, zwickte es sie von hinten in die Waden, schwänzelte der tauchende Vater um ihre Schenkel herum, schnellte vor ihnen aus dem Wasser empor. Das war ein Bild. Das Gesicht purpurn, Halsadern zu glatten Nattern geschwollen, umschlungen vom aus submarinen Wiesen gerissenen Seegras. Mit den Fingern beider Hände zeigten sie auf ihn und kreischten vor Begeisterung, er mit ihnen. In Fäusten hielt er die Algenpflanzen, triumphierend schwenkte er sie, über Haupt und Schultern fielen sie ihm, in der Sonne glitzerndes, bis an die Hüften und darüber hinaus reichendes Frauenhaar.
    Etwas blass, wird man vielleicht meinen, war die Mutter geraten neben dem Vater und seinen Übertreibungen, seinen Komödien und seiner Melancholie. Rücklings, im Hintergrund, das Haar zum Helm gesprüht. Nur um die Zigarette an die Lippen zu führen, regte sie sich, um in regelmäßigen Abständen ihren Körper zu ölen, ansonsten schien sie zur Gänze erstarrt, als wäre in ihr kein Leben. Aber auch das war nur scheinbar! Wie beim Tier, das täuschende Ähnlichkeit gewinnt mit einem dürren Blatt, einem abgestorbenen Ast. Hinter den Tropfenformgläsern flitzten die Äuglein des Reptils hin und her, schwarz und scharf, keine Bewegung, die ihnen entging.
    Man muss sich um mich keine Sorgen machen, sagte die Mutter gern, und darin war mehr Wahrheit, als sie vielleicht wünschte. Nicht allein, dass sie die Geschicke der Familie lenkte mit unsichtbarer Hand. Der Vater verstand

Weitere Kostenlose Bücher